von Aktion Deutschland Hilft
Was ist der Unterschied zwischen Binnenvertriebenen (IDPs; Internally Displaced Persons) und Geflüchteten? Im rechtlichen Sinn: Binnenvertriebene überqueren bei ihrer Flucht keine Landesgrenzen, sie fliehen innerhalb ihres eigenen Landes.
Wie viele Menschen fliehen innerhalb ihrer Heimat?
Es gibt weltweit 75,9 Millionen Binnenvertriebene. Sie gehören zu den 117,3 Millionen Menschen, die insgesamt auf der Flucht sind. Binnenflüchtlinge machen also einen Großteil der Geflüchteten weltweit aus.
... aufgrund von Konflikt & Gewalt:
- Sudan (9,1 Millionen)
- Syrien (7,2 Millionen)
- DR Kongo (6,7 Millionen)
- Kolumbien (5,1 Millionen)
- Jemen (4,5 Millionen)
... aufgrund von Naturkatastrophen:
- Afghanistan (1,5 Millionen)
- Pakistan (1,2 Millionen)
- Türkei (882.000)
- Äthiopien (881.000)
- China (639.000)
Quelle: IDMC (Stand 05/2024)
Die Gründe für die Flucht: Konflikte, Menschenrechtsverletzungen, Gewalt, Perspektivlosigkeit und Naturkatastrophen. Häufig kommt es vor, dass mehrere Gründe zutreffen, die Fluchtursachen sich gegenseitig bedingen oder verstärken.
Zahlen und Fakten zu Binnenflüchtlingen weltweit
- Von 2022 bis 2023 stieg die Zahl der Binnenvertrieben von 71,1 auf 75,9 Millionen.
- 68,3 Millionen Binnenvertriebene flohen 2023 aufgrund von Gewalt und Konflikten. Das sind neun Prozent mehr als im Jahr zuvor und es ist die größte Zahl seit Beginn der Datenerfassung.
- Grund für den starken Anstieg sind unter anderem die Konflikte in Äthiopien, der DR Kongo, im Sudan und in der Ukraine.
- Die meisten Binnenvertriebenen, die aufgrund von Konflikten oder Gewalt geflohen sind, leben im Sudan, in Syrien, der DR Kongo, Kolumbien und im Jemen.
- Nachdem die Zahl der Binnenvertriebenen für Nahost und Nordafrika drei Jahre rückläufig war, hat sie sich dort inzwischen verachtfacht. Grund ist der Krieg in Gaza.
- Auch Naturkatastrophen sind eine häufige Ursache für Binnenflucht: 7,7 Millionen Menschen waren davon 2023 betroffen, insbesondere in: Afghanistan, Pakistan, Äthiopien, der Türkei und China.
- 2023 wurden – aufgrund von Konflikten sowie Katastrophen – 46,9 Millionen Menschen neu vertrieben.
Expert:innen gehen davon aus, dass die Zahlen aufgrund komplexer Kriege und klimatischer Veränderungen weiter steigen werden.
Das IDMC (Internal Displacement Monitoring Centre) veröffentlicht jährlich neue Daten zur Situation von Binnenvertriebenen weltweit. Unterschieden werden folgende Kennzahlen:
Die Kennzahl Binnenvertriebene (IDPs; Internally Displaced Persons) bezieht sich auf die Menschen, die als Flüchtling innerhalb ihres Heimatlandes leben.
Interne Vertreibungen (internal displacements) bezeichnen neue Fluchtbewegungen von Binnenvertriebenen innerhalb des Jahres, auf das sich der jährlich erscheinende Bericht des IDMC bezieht. Diese Menschen werden zu der Zahl der Binnenvertriebenen des Vorjahres addiert. Konnten Menschen in ihr Zuhause zurückkehren, werden sie von der Gesamtzahl abgezogen.
Es gibt Menschen, die aufgrund der Situation in ihrem Heimatland immer wieder fliehen müssen. Diese Fluchtbewegung bezeichnet das IDMC als wiederholte Vertreibung (repeated displacement). Sie wird zu den Vertreibungen addiert, nicht jedoch zur Gesamtzahl der Binnenvertriebenen.
Jeder 2. Binnenflüchtling lebt in Subsahara-Afrika
46 Prozent der Binnenvertriebenen weltweit leben in einem Land in Subsahara-Afrika. Das sind 34,8 Millionen Menschen.
Auch 2023 war die Zahl der intern Vertriebenen in keiner anderen Weltregion größer: Gewalt und Konflikte zwangen dort 13,5 Millionen Menschen zur Flucht. Ein Großteil dieser Menschen lebt in der DR Kongo und im Sudan.
Vertreibung aufgrund von Naturkatastrophen
Neben Konflikten sind Naturkatastrophen wie Flut und Hochwasser, Wirbelstürme, Erdbeben und Tsunamis, Dürren und Waldbrände häufig Fluchtursache von Binnenvertrieben weltweit.
Nach den schweren Erdbeben an der türkisch-syrischen Grenze Anfang 2023 suchten 4,7 Millionen Menschen innerhalb ihrer Heimat Zuflucht. Und nachdem am Horn von Afrika über mehrere Jahre Dürre herrschte, wurden 2,9 Millionen Binnenvertriebene gezählt.
Die Länder, in denen es 2023 die meisten Binnenvertreibungen aufgrund von Naturkatastrophen gab, sind: China, Türkei, Philippinen, Somalia und Bangladesch.
Flucht hat viele Ursachen. Wenn Kriege ausbrechen oder Umweltkatastrophen alles zerstören, bleibt vielen Menschen keine andere Wahl.
Auch Armut, die Auswirkungen des Klimawandels, Perspektivlosigkeit und Menschenrechtsverletzungen sind Fluchtursachen. In der Hoffnung auf ein besseres Leben nehmen die Menschen große Gefahren auf sich.
Weltweit sind 117,3 Millionen Menschen auf der Flucht. Davon sind:
- 37,6 Millionen Flüchtlinge*
- 67 Millionen Binnenvertriebene
- 6,9 Millionen Asylsuchende
- 5,8 Millionen Menschen, die internationalen Schutz brauchen
Seit Jahren steigt die Zahl der Geflüchteten weltweit kontinuierich an. Rund 40 Millionen der Geflüchteten sind Kinder. Zwischen 2018 und 2023 sind ungefähr 2 Millionen Kinder als Geflüchtete auf die Welt gekommen.
75 Prozent der Geflüchteten werden von Ländern aufgenommen, die an Krisengebiete grenzen und Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen sind. Die am wenigsten entwickelten Länder gewährten 21 Prozent aller Geflüchteten Asyl.
* darunter 6 Mio. Menschen aus palästinensischen Gebieten
Die Genfer Flüchtlingskonvention definiert Geflüchtet als Menschen, die
- sich außerhalb des Landes befinden, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen oder in dem sie ihren ständigen Wohnsitz haben
- wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung eine begründete Furcht vor Verfolgung haben
- den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen können oder aus Furcht vor Verfolgung nicht dorthin zurückkehren können.
Im allgemeinen Sprachgebrauch wird der Begriff "Flüchtling" auch für Binnenvertriebene, Umwelt- und Klimaflüchtlinge und Wirtschaftsflüchtlinge verwendet. Im völkerrechtlichen Sinn gelten sie nicht als Flüchtlinge.
Binnenvertriebene sind Menschen, die innerhalb ihres Heimatlandes Zuflucht suchen. Wirtschaftsflüchtlinge lassen ihr Heimatland aufgrund existenzbedrohender Rahmenbedingungen, Armut und wirtschaftlicher Perspektivlosigkeit hinter sich.
Klima- und Umweltflüchtlinge fliehen vor Umweltveränderungen oder Naturkatastrophen. Klimaflüchtlinge sind direkt von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen.
Migration ist der lateinische Begriff für Wanderung. Migranten sind Menschen, die aus politischen, wirtschaftlichen oder persönlichen Gründen an einen anderen Ort ziehen.
Es gibt freiwillige und notgedrungene Migration. Der Umzug in ein Nachbarland zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen gilt als freiwillige Migration. Aufgrund einer Notsituation migriert, wer beispielsweise wegen einer politischen Einstellung verfolgt wird.
Ob sie Migranten aufnehmen oder nicht, können Staaten frei entscheiden. Zum Schutz von Flüchtlingen hingegen sind sie durch internationale Abkommen verpflichtet.
Der Begriff "Flüchtling" wird auch für Binnenvertriebene, Umwelt-, Klima- und Wirtschaftsflüchtlinge verwendet, obwohl diese im völkerrechtlichen Sinn nicht als Flüchtlinge gelten.
Wirtschaftsflüchtlinge lassen ihr Zuhause aufgrund von Armut und wirtschaftlicher Perspektivlosigkeit hinter sich. Sie wollen ihr Glück in einem anderen Land versuchen. In der Hoffnung auf eine bessere Zukunft wandern die Menschen meist in Industrienationen ab.
Schon immer haben Menschen ihre Heimat auf der Suche nach einem besseren Leben verlassen. Armut, Arbeits- und Obdachlosigkeit, Mangel an Nahrung und unzureichende Gesundheitssysteme – all das führt dazu, dass sich teils hochqualifizierte und leistungsfähige Mitglieder einer Gesellschaft im Ausland Arbeit suchen. Viele möchten so ihre Familien und Freunde in der Heimat unterstützen.
Im Gegensatz zu politischen Flüchtlingen im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention haben Wirtschaftsflüchtlinge in der Regel kein Recht auf Asyl oder Niederlassung. Staaten können frei entscheiden, ob sie diese Menschen aufnehmen.
Binnenvertriebene (IDPs – Internally Displaced Persons) überqueren bei ihrer Flucht nicht die Landesgrenzen. Sie suchen innerhalb ihres Heimatlandes Zuflucht.
Die Gründe dafür sind die gleichen wie bei Flüchtlingen, die in anderen Ländern Schutz suchen: bewaffnete Konflikte, Menschenrechtsverletzungen, Gewalt und Naturkatastrophen.
Flüchtlinge sind mit der Überquerung einer Grenze durch internationale Abkommen geschützt. Das gilt nicht für Binnenflüchtlinge. Für ihre Sicherheit ist eigentlich der Heimatstaat zuständig. Doch oft kann oder will der Staat das nicht.
Überflutungen, Wirbelstürme oder Dürrekatastrophen: Die Folgen des Klimawandels zwingen viele Menschen zur Flucht.
Während Umweltflüchtlinge vor Umweltveränderungen oder Naturkatastrophen aus ihrer Heimat fliehen, sind Klimaflüchtlinge direkt von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen. Das ist beispielsweise der Fall, wenn der steigende Meeresspiegel ganze Dörfer zu überschwemmen droht.
Die Internationale Organisation für Migration (IOM) schätzt, dass bis 2050 zwischen 150 und 200 Millionen Menschen vor klimatischen Veränderungen fliehen werden.
Wie so oft trifft es die Menschen am härtesten, die am wenigsten zur Krise beigetragen haben. Mit Dürren oder Überschwemmungen macht sich der Klimawandel vor allem in Entwicklungsländern bemerkbar. Dort leben viele Menschen von der Landwirtschaft. Sie sind direkt von der Natur und dem Wetter abhängig.
Rund 10 Millionen Kinder, Frauen und Männer auf der Welt sind staatenlos. Das ist für die Betroffenen ein großes Problem. Staatenlose Menschen haben keinen Pass und keine Staatsbürgerschaft. Viele Grundrechte fallen für sie weg.
Staatenlos wird man zum Beispiel als Folge eines Krieges. Tausende Menschen aus Syrien etwa sind in den Libanon geflohen und haben durch die Wirren des Krieges keinen Pass und keine Papiere mehr. Auch ihre am Zufluchtsort geborenen Kinder haben nicht das Recht, zur Schule zu gehen oder von einem Arzt behandelt zu werden. Staatenlosigkeit droht außerdem, wenn sich ein Staat auflöst oder Gebiete abgetrennt werden.
Die größte Gruppe von Staatenlosen bilden die Rohingya aus Myanmar. Fast eine Million Menschen dieser muslimischen Minderheit leben in Flüchtlingslagern in Bangladesch.
Laut Artikel 16a des Grundgesetzes können alle Personen, die politisch verfolgt werden, in Deutschland Asyl beantragen. Politische Verfolgung liegt vor, wenn ein Mensch wegen seiner
- politischen oder religiösen Überzeugung
- Staatszugehörigkeit
- Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe
bei Rückkehr in die Heimat (durch den Staat oder Dritte) einer der folgenden Punkte droht:
- Verfolgung
- Gefahr für Leib und Leben
- Beschränkung der persönlichen Freiheit
Neben dem im Grundgesetz verankerten Asylrecht gibt es Gesetze sowie internationale und europäische Standards. Dazu gehören die Gewährung von Flüchtlingsschutz durch die Genfer Flüchtlingskonvention und die Europäische Menschenrechtskonvention.
Notsituationen wie Hungersnöte oder Umweltkatastrophen werden nicht als Grund für Flucht und Asylgewährung anerkannt.
Viele Menschen, je nachdem aus welchen Land sie kommen, brauchen ein Visum oder eine Aufenthaltserlaubnis, um sich in Deutschland aufhalten zu dürfen. Wer zum Beispiel vor einem Krieg flieht und in Deutschland Asyl beantragen möchte, durchläuft ein Verfahren, das sehr lange dauern kann.
Nachdem der Krieg in der Ukraine ausgebrochen war, wurde eine Ausnahmeregel geschaffen: Die Geflüchteten wurden "vorübergehend von der Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit" – so der offizielle Wortlaut. Das bedeutet: Menschen mit ukrainischer Staatsangehörigkeit erhalten den sogenannten humanitären Aufenthaltstitel ohne Asylverfahren. Sie haben dadurch sofort gewisse Rechte und Möglichkeiten, sie dürfen zum Beispiel arbeiten, erhalten Bafög oder Kindergeld oder können Integrationskurse besuchen.
Diese Ausnahme gilt aber nicht für Menschen, die sich zu Beginn des Krieges zum Beispiel als Studierende oder aus beruflichen Gründen in der Ukraine aufgehalten haben, aber eine andere Staatsangehörigkeit besitzen. Sie müssen oft langwierige Prüfungen durchlaufen, um als Drittstaatengeflüchtete denselben Schutz gewährt zu bekommen. In dieser Zeit haben sie keine Arbeitserlaubnis und es gilt die Residenzpflicht. Das heißt, die Geflüchteten können sich nur in der Region aufhalten, die die Behörden festgelegt haben.
Podcast-Folge: Integration in Deutschland: Perspektiven nach der Flucht
Völkerrechtlich kein Schutz für Binnenflüchtlinge
Flüchtlinge sind mit der Überquerung einer Grenze durch internationale Abkommen geschützt. Sie werden mit der Registrierung rechtlich als Flüchtlinge eingestuft. Bei Binnenflüchtlingen wäre eigentlich der Heimatstaat dafür zuständig, ihren Schutz zu gewährleisten.
Doch oft kann oder will der Staat den Schutz für diese Bevölkerungsgruppe nicht sicherstellen. Ihr Status und Schutz sind nicht klar geregelt. Bis heute gibt es kein völkerrechtliches Instrument für Binnenvertriebene.
Quellen: UNCHR; IDMC (Stand: 05/2024)
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