Pädagogische Schutzräume im Kakuma-Flüchtlingslager
Jamila ist 16 Jahre alt und kommt aus Somalia. Sie war ein ganzes Jahr auf der Flucht, nachdem ihre Familie von Milizen ermordet wurde. In dieser Zeit wurde sie 12-mal vergewaltigt. Ihr Baby ist jetzt drei Wochen alt. Seit einigen Wochen lebt Jamila im Reception-Centre von Kakuma, dem zentralen Aufnahmelager, in dem sich die neu ankommenden Flüchtlinge einem Registrierungsprozedere unterziehen müssen. Etwa 100 elternlose Kinder erreichen täglich das Camp. Fast alle sind unterernährt und leiden an Durchfällen, Anämie und Tuberkulose. Die Kinder bleiben zunächst solange im Reception-Centre, bis sie an Pflegeeltern innerhalb des Lagers vermittelt werden können.
Kinder und Jugendliche, die das Unsagbare erlebt haben, benötigen zur Bewältigung ihrer traumatischen Erfahrungen zunächst einen geschützten Ort, an dem sie sich geborgen und sicher fühlen können. Das pädagogische Notfallteam der Freunde der Erziehungskunst, unterstützt von einem achtköpfigen pädagogischen Team aus Kenia sowie von weiteren acht Lehrern aus dem Kakuma-Flüchtlingslager, begann ihre Arbeit deshalb mit dem Aufbau eines „Child Friendly Space“ - einem geschützten Raum für die notfallpädagogische Traumaarbeit mit Kindern. Der vorgesehene Platz wurde gesäubert, Holzpfähle wurden gesetzt und mit Seilen und Plastikplanen schattenspendende Bereiche geschaffen.
Die traumapädagogische Arbeit beginnt mit einem morgendlichen Zug des Notfallteams durch das Reception-Centre. Es wird geklatscht und gesungen. Die Kinder und Jugendlichen werden durch ein Eröffnungsritual auf den Beginn der Arbeit aufmerksam gemacht. Immer mehr schließen sich singend und klatschend dem Zug an. Etwa 200 Kinder und Jugendliche stehen schließlich in einem großen Anfangskreis. Ein gemeinsames Auftaktlied erklingt, gefolgt von rhythmischen Klatsch- und Stampfübungen. Danach folgen einzelne Workshops im Bereich der Kunsttherapie, Storytelling, Eurythmie und Erlebnispädagogik. Ein Abschlusskreis mit rhythmischen Übungen und einem Schlusslied beendet schließlich die Arbeit.
Heilende Pädagogik – traumaorientierte Kinderkrippenarbeit in Kakuma 3

In der Nähe des Reception-Centres, im Lager Kakuma 3, befindet sich die Mt. Songot Pre-School mit 485 Kindern und zehn Lehrern in sieben Klassen. Der Schulleiter Ali Osman stellt zwei kleine Räume seiner Schule zum Aufbau einer Kleinkind-Gruppe zur Verfügung.
Die traumapädagogische Arbeit mit den Kleinkindern unter drei Jahren wird an den Tagesaufbau des Waldorfkindergartens angelehnt. Auch hier geht es zunächst um die Errichtung einer Schutzhülle, also dem Aufbau eines sicheren Ortes sowie um die Rhythmisierung und Ritualisierung des Tagesablaufes.
Nach dem morgendlichen Sammeln der Kinder wird der Tag mit einem Morgenkreis eröffnet. Es wird gesungen und jedes Kind wird individuell begrüßt. Es folgen eine Freispielphase und der Toilettengang. Dann geht es in die notdürftig renovierten Räume, in denen den Kindern Wasser gereicht wird. Anschließend wird mit Wachsmalstiften gezeichnet, um Selbstausdrucksmöglichkeiten zu schaffen. Zur Förderung der Motorik und der taktilen Sinne wird mit Bienenwachs geknetet sowie ein Freispiel durchgeführt. In einem weiteren Sitzkreis wird Maisbrei gefrühstückt, gefolgt von einer Schlaf- bzw. Ruhephase. Im Abschlusskreis wird eine Geschichte erzählt und ein Puppenspiel gezeigt. Ein Freispiel und die Übergabe der Kinder an die Eltern beenden den Krippentag. Kinder mit Behinderung sind auch in die traumapädagogische Kinderkrippenarbeit einbezogen.
Traumapädagogik – Fortbildungsseminare für Lehrer im Flüchtlingslager
Auch die Lehrer im Kakuma-Camp sind überwiegend traumatisiert. Sie berichten von posttraumatischen Motivationsproblemen, anhaltender Schreckhaftigkeit, Gedächtnisstörungen, panikartigen Ängsten, Alkoholschwierigkeiten und Eheproblemen.
An die Arbeit mit den Kindern schloss sich deshalb eine dreitägige Seminararbeit für etwa 30 heilpädagogische Lehrer, Sozialarbeiter und Lehrer von Pre-Schools an. Neben allgemeinen Fragen der Psychotraumatologie und der Notfallpädagogik ging es vor allem um die kindliche Entwicklung bis zum 14. Lebensjahr und um Entwicklungsstörungen angesichts traumatischer Erlebnisse. Zusätzlich standen auch künstlerische Aktivitäten, Bewegung und rhythmische Übungen im Mittelpunkt. Eine Seminareinheit widmete sich der Frage nach der Gestaltung der Schule als „sicheren Ort“.
Kampf gegen die Resignation – Herausforderungen, Aufgaben, Perspektiven
Die traumapädagogische Aufbauarbeit des internationalen Notfallteams der Freunde der Erziehungskunst fand große Aufmerksamkeit. So wurde das Projekt von den Bundestagsabgeordneten Thilo Hoppe, stellvertretender Vorsitzender des entwicklungspolitischen Ausschusses, und Frank Heinrich, stellvertretender Vorsitzender des Menschenrechtsausschusses sowie von UNO-Vertretern besucht und gewürdigt.
Weitere drei Unterstützungsreisen des internationalen Notfallteams sind für das Jahr 2012 vorgesehen. Dabei soll die begonnene Arbeit im Reception-Centre und in der Mt. Songot-Pre-School stabilisiert, ein weiteres Kinderschutzzentrum in der „Protection Area“ sowie eine weitere Kinderkrippe eröffnet werden. Des Weiteren ist geplant, zukünftig Elternsprechstunden zum Umgang mit traumaspezifischen Verhaltensweisen von Kindern anzubieten.
Angesichts der enormen Nöte und Herausforderungen in der Krisenregion Ostafrikas und im Flüchtlingslager Kakuma könnte leicht die resignative Frage aufkommen, ob Hilfe überhaupt möglich sei. Eine indische Legende wagt eine Antwort: Ein Spaziergänger beobachtet einen Mann, der von Wellen an den Strand geschwemmte Fische ins Meer zurückwirft. Mit jeder Welle werden erneut tausende Fische an den Strand gespült. Der Mann wirft jeweils in aller Seelenruhe so viele wie möglich ins Meer zurück. Als der Spaziergänger dies eine Zeit lang beobachtet hatte, spricht er den Mann an und fragt ihn zweifelnd, ob es nicht völlig sinnlos sei, was er da unternehme. Der Mann nimmt einen zappelnden Fisch vom Strand und wirft ihn mit den Worten ins Wasser zurück: „Für ihn war es keineswegs sinnlos!“
Bernd Ruf
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