von action medeor/Aktion Deutschland Hilft
Es ist ein kalter Morgen in einem kleinen Dorf im Osten der Ukraine. Die Luft ist feucht, der Himmel grau. Viele Häuser um uns herum sind nur noch Ruinen. Vor dem weißen Anhänger der mobilen Sprechstunde von action medeor stehen die Menschen Schlange – vor allem Ältere.
Sie warten auf eine medizinische Beratung, eine Blutdruckmessung, ein Gespräch mit einer Ärztin. Ein einfaches Angebot, doch für viele hier ein überlebenswichtiges.
Markus Bremers spricht mit fünf Frauen im Ort
Markus Bremers (Foto oben: Mitte.), Pressesprecher von action medeor, reiste zu Jahresbeginn in die Ukraine, um sich ein Bild von den dortigen Hilfsprojekten zu machen. Hier teilen wir die Geschichten von fünf Frauen, mit denen er gesprochen hat.
Ludmilla: "Das war hier mal ein lebendiges Dorf"
Nadia: Ein Ort, der bleibt
Natalia: Ein Zuhause in Trümmern
Viktoria: Medizinische Hilfe, die ankommt
Mariia: Hausbesuche als Rettungsanker
Ludmilla (Foto: Mitte), die Dorfvorsteherin, begrüßt uns mit einem festen Händedruck. "Das hier war einmal ein lebendiges Dorf", erzählt sie, während sie mit einer Hand über die Trümmer deutet. "Wir hatten eine Schule, eine Post, eine Arztpraxis, Geschäfte. Jetzt ist fast alles zerstört."
Vor dem Krieg lebten 600 Menschen hier. Fast alle sind geflohen, als der Krieg kam. Heute sind es wieder 200, vor allem Ältere, die keinen anderen Ort zum Leben gefunden haben. "Die meisten sind ohne Arbeit, haben kaum Geld und kämpfen sich irgendwie durch", sagt Ludmilla. "Wir sind hier für jede Hilfe dankbar."
Unter den Wartenden ist Nadia (Foto: links). Sie kommt gerade aus der mobilen Klinik, in der Krankenschwester Viktoria ihren Blutdruck gemessen hat. Als ich sie frage, warum sie im Dorf geblieben ist, obwohl ihr Haus zerstört wurde, füllen sich ihre Augen mit Tränen. "Weil es mein Zuhause ist", sagt sie schlicht. 2022 floh Nadia, 2023 kehrte sie zurück.
"Wir haben unser ganzes Leben gearbeitet, um uns hier etwas aufzubauen. Und dann war alles weg." Mit ihrem Mann hat sie begonnen, das Haus wieder aufzubauen. Vor zwei Monaten ist er gestorben.
"Jetzt helfen mir meine Kinder und Enkelkinder durch die schweren Tage", erzählt sie. Ihr Wunsch für die Zukunft ist klein und groß zugleich: "Gesund bleiben. Den Stress aushalten."
Natalia (Foto: Mitte), eine weitere Patientin, lädt uns ein, ihr Haus zu sehen – oder das, was davon übrig ist. Die Fenster sind kaputt, das Dach fehlt teilweise. Auch Natalia hat ihr Dorf nach Ausbruch des Krieges verlassen. Sie floh mit ihrer Mutter nach Tschechien und kam zwei Jahre später wieder zurück – doch ohne ihre Mutter, die in Tschechien verstarb. Ihre Kinder halfen ihr bei der Flucht, sie leben im Nachbardorf.
"Ich habe bei meiner Tochter Unterschlupf gefunden", erzählt Natalia. "Aber ich will mein Haus reparieren, hier leben." Sie wartet auf staatliche Fördergelder, um den Wiederaufbau zu beginnen. Ihre Kinder helfen, doch vieles liegt brach. "Wir hatten vor dem Krieg ein normales Leben", sagt sie leise und wird plötzlich energischer: "Aber das Leben geht weiter. Es gibt Freiwillige, Nachbarn helfen sich. Das macht doch Hoffnung."
Viktoria, die Krankenschwester in der mobilen Klinik, kennt viele dieser Geschichten. "Die meisten Menschen, die hierherkommen, haben chronische Krankheiten", sagt sie. "Bluthochdruck, Diabetes, Stress. Die Bedingungen sind schwer, sie haben oft nicht einmal die Möglichkeit, ihren Blutdruck zu messen." Neben medizinischer Hilfe brauchen viele psychologische Unterstützung.
"Die Menschen hier haben alles verloren. Sie sind erschöpft, müde vom Krieg. Wir versuchen, ihnen nicht nur Medikamente zu geben, sondern auch Trost." Viktoria selbst ist aus Cherson geflohen, wo sie ihre geliebte Wohnung verlassen musste. Zu gefährlich sei es, dorthin zurückzukehren, sagt sie. Cherson liege täglich unter Beschuss.
Mariia (Foto: rechts) ist eine der Ärztinnen, die mit einem mobilen Team von action medeor Hausbesuche macht. Ihr Tag beginnt früh, die Dörfer, die sie besucht, sind oft schwer erreichbar. "Viele Menschen hier sind alt, sie können nicht in die Klinik kommen", erklärt sie mir. "Deshalb gehen wir zu ihnen."
Sie behandelt Bluthochdruck, Diabetes, Magenprobleme – alles Krankheiten, die mit Armut und Mangelernährung zusammenhängen. "Es gibt hier keine Geschäfte mehr. Die Menschen essen, was sie haben – oft zu wenig Gemüse, weil sie sich nicht trauen, ihre Gärten zu betreten. Es könnten dort Minen sein."
Ich habe Mariia schon einmal im Sommer getroffen. Heute, ein halbes Jahr später, frage ich sie, ob sich etwas verändert hat. Sie seufzt. "Es ist schlimmer geworden. Die Menschen sind müder, erschöpfter. Die Hoffnung schwindet." Trotzdem macht sie weiter.
"Unsere Arbeit ist wichtig. Nicht nur wegen der Medizin, sondern weil die Menschen spüren, dass sie nicht vergessen sind." Als ich sie frage, was sie sich für die Zukunft wünscht, zögert sie. "Ein realistischer Wunsch? Ein ruhiger Winter, weniger Raketen, weniger Beschuss. Ein optimistischer Wunsch? Frieden."
Hintergrund zum Besuch von Markus Bremers in der Ukraine
action medeor ist eine von mehr als 20 Hilfsorganisationen, die den Menschen in der Ukraine seit der Eskalation des Krieges humanitäre Hilfe leisten: Mit mobilen Apotheken und Sprechstunden versorgt die Bündnisorganisation regelmäßig die Einwohner:innen zerstörter Dörfer im Südosten des Landes.
Seit 2022 haben auf diese Weise rund 20.000 Menschen medizinische Hilfe erhalten. Für viele von ihnen sind die mobilen Dienste die einzige Möglichkeit, überhaupt eine medizinische Versorgung zu bekommen.
+++ Spendenaufruf +++
Aktion Deutschland Hilft, Bündnis der Hilfsorganisationen,
bittet dringend um Spenden für die betroffenen Menschen aus der Ukraine.
Stichwort: Nothilfe Ukraine
IBAN DE62 3702 0500 0000 1020 30, BIC: BFSWDE33XXX
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