von Aktion Deutschland Hilft, HelpAge Deutschland, Handicap International
Die humanitäre Krise in Venezuela findet hierzulande medial nur wenig Beachtung – dabei spielt sich in dem südamerikanischen Land seit Jahren Dramatisches ab.
Politische und wirtschaftliche Dauerkrisen haben zu einem landesweiten Zusammenbruch der öffentlichen Dienstleistungen geführt. Über sieben Millionen Menschen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen.
Hoffnung auf ein besseres Leben in Kolumbien
Wer aus Venezuela fliehen kann, der flieht. Fast acht Millionen Menschen haben in den letzten zehn Jahren das einst so wohlhabende Land verlassen. Angetrieben von blanker Not und der Hoffnung auf ein besseres Leben, suchen die meisten Flüchtenden einen Neuanfang im Nachbarland Kolumbien – mit dem sich Venezuela eine rund 2.200 Kilometer lange Grenze teilt.
Doch auch hier erwarten die Frauen, Kinder und Männer zumeist prekäre Lebensbedingungen, kaum Jobmöglichkeiten und ein Leben in informellen Camps.
Hilfe für Menschen mit Behinderung
Um die Not der Menschen zu lindern, unterstützen die Bündnisorganisationen HelpAge Deutschland und Handicap International seit 2023 in einem länderübergreifenden Kooperationsprojekt Geflüchtete aus Venezuela und indigene Gemeinschaften, die in abgeschiedenen Dörfern Venezuelas ohne Strom, Wasser oder Zugang zu medizinischer Versorgung leben.
Beide Bündnisorganisationen legen bei ihrer humanitären Arbeit einen Schwerpunkt auf inklusive Hilfe mit besonderem Fokus auf Ältere und Menschen mit Behinderung. Sie teilen ihre Expertise und lokalen Strukturen vor Ort, um so viele Menschen wie möglich zu erreichen. Es ist das erste gemeinsame Hilfsprojekt der beiden Organisationen.
Lichtblicke für die Warao
“Ich kann mich nicht erinnern, wann mich das letzte Mal jemand untersucht hat”, sagt Elida und schaut dankbar den Arzt an, der ihr den Blutdruck misst. Die 86-jährige Frau gehört zum Volk der Warao und lebt in einem abgelegenen Dorf in Delta Amacuro im Nordosten Venezuelas.
Mit drei ihrer Enkel bewohnt sie ein kleines, selbstgebautes Haus, das nur über eine von Regen aufgeweichte Straße zu erreichen ist.
Venezuela: Wirtschaftskrise sorgt für Armut in der Bevölkerung
Ihr Mann ist vor Jahren gestorben. “Ich bekomme eine kleine Rente von 130 Venezolanischen Bolívar [ca. 2,70 Euro] im Monat”, erzählt die hochbetagte Frau. “Ich mache auch Handarbeiten, um etwas dazuzuverdienen, aber meine Augen werden immer schlechter und wir haben kein Geld für Material.”
Elida und ihre Enkel geben ihr ganzes Einkommen für Lebensmittel aus – doch es reicht kaum. “Die Preise steigen ständig. Wenn das Geld knapp wird oder ich krank werde, müssen wir unsere Nachbarn um Hilfe bitten.”
Sauberes Trinkwasser fehlt in vielen Dörfern
Die Dorfgemeinschaft hilft sich so gut es geht gegenseitig. Auf staatliche Unterstützung hofft hier niemand. Die meisten Bewohner:innen leben von der Landwirtschaft, fischen, arbeiten als Tagelöhner oder verkaufen selbstgemachten Schmuck. Da Elidas Dorf nahe der Küste liegt, ist es häufig Stürmen und starkem Regen ausgesetzt.
“Wenn es regnet, werden unsere Straßen und Felder überflutet, und das Wasser kommt in unsere Häuser. In unserem Dorf gibt es nur einen Trinkwasserbrunnen. Immer wieder erkranken Menschen an Durchfall, Grippe und Fieber, und die Kinder bekommen juckende Haut”, berichtet Elida besorgt.
Weite Weg bis zur nächsten Gesundheitseinrichtung
Die nächste medizinische Einrichtung ist 45 Minuten zu Fuß entfernt, aber dort gibt es weder einen Arzt noch Medikamente. Insgesamt 556 Familien wie die von Elida unterstützt HelpAge Deutschland mit ihrem lokalen Partner Asociación Civil Convite derzeit im Nordosten Venezuelas.
Helfer:innen verteilen Grundnahrungsmittel, Lebensmittelgutscheine sowie Hygieneartikel und Wasseraufbereitungstabletten. Medizinische Teams machen Hausbesuche, untersuchen ältere Menschen, geben Medikamente und bieten psychosoziale Unterstützung an.
Medizinische Hilfe für indigene Bevölkerung
Im Rahmen des Projekts engagiert sich auch Handicap International in abgelegenen Regionen Venezuelas für eine bessere Gesundheits- und Hygieneversorgung. Der Zugang zu medizinischen Einrichtungen ist gerade für indigene Gemeinschaften extrem eingeschränkt.
“Früher waren wir eine sehr gesunde Gemeinschaft, da wir weit genug voneinander entfernt lebten”, berichtet Wesiyuma Angelito Hernández. Der 48-Jährige ist Angehöriger des Volkes der Ye‘kwana und arbeitet seit über zehn Jahren für die Organisation der indigenen Völker des Amazonas (ORPIA), die sich für die Einheit, die Verteidigung des Territoriums und der Menschenrechte in seiner Gemeinschaft einsetzt.
“Vor einigen Jahrzehnten schlossen wir uns zu einer großen Gemeinschaft zusammen, um unsere Kultur zu schützen und die Selbstbestimmung zu fördern. Wir verließen unsere Berge und die kalten Gebiete, in denen wir früher lebten, und zogen hinunter in die Savanne, in die Nähe des Flusses und der Moskitos. Dort traten dann Krankheiten wie Masern, Malaria und Windpocken auf, die wir davor nicht kannten.”
Versorgung für 190.000 Menschen
Henández Dorf liegt etwa eine Tagesfahrt mit dem Boot vom nächsten Krankenhaus entfernt. Zwei Tage braucht man zu Fuß. Wenn jemand krank wird, ist es für die Gemeinschaft äußerst schwierig, Ärzte rechtzeitig aufzusuchen oder Patient:innen zu transportieren.
Um diese Probleme anzugehen, arbeitet Handicap International im Bundesstaat Amazonas mit den Gemeinden Huottuja, Kurripaco, Warekenay Jivi und Piapoco zusammen, um die Zugänge zur Gesundheitsversorgung und sanitären Einrichtungen für rund 190.000 Menschen zu verbessern.
Darüber hinaus verteilen die Hilfsteams Hygienesets, die Unterwäsche, Menstruationsartikel, Kamm und Shampoo gegen Läuse, Seife, Zahnbürsten, Zahnpasta und vieles mehr enthalten. Zudem klären Helfer:innen die Gemeinschaften über die Übertragungswege von Krankheiten wie Malaria auf.
Mit Erlebtem leben lernen
Von Amazonas, dem zweitgrößten Bundesstaat Venezuelas, machen sich täglich zahlreiche Familien ins Nachbarland Kolumbien auf. In Puerto Carreño, einer abgelegenen Grenzstadt im Osten des Landes, stranden viele der Geflüchteten in informellen Siedlungen ohne Schutz und Perspektive.
Um ihnen Halt und Orientierung zu geben, rief HelpAge Deutschland eine Initiative ins Leben, die gezielt auf die psychosozialen Bedürfnisse dieser Gemeinschaften eingeht.
Eine Nachbarschaft steht zusammen
Im Zentrum stehen 40 freiwillige Helfer:innen, die selbst vor Jahren nach Kolumbien geflohen sind. Sie wurden in Workshops geschult, um in ihren Nachbarschaften über Themen wie psychologische Erste Hilfe, Krankheitsprävention und gewaltfreie Kommunikation aufzuklären.
Durch ihre Arbeit entstanden bereits lokale Netzwerke, in denen Menschen einander zuhören, über Fluchterfahrungen sprechen, aber sich auch ganz konkret im Alltag helfen, damit eine Integration in die kolumbianische Gesellschaft gelingen kann.
“In meinem Viertel engagieren sich jetzt alle”, erzählt Yobana Marcano, eine der Freiwilligen. Die Wirkung dieser lokal verankerten Hilfe ist enorm, denn sie erreicht nicht nur die ursprünglich 40 geschulten Freiwilligen, sondern mittlerweile über 600 Menschen in allen umliegenden Gemeinschaften.
Hilfe über Grenzen hinweg
Ohne politische und wirtschaftliche Reformen sowie einem Wiederaufbau der öffentlichen Infrastruktur bleibt die Lage in Venezuela für Millionen Menschen angespannt.
Das länderübergreifende Projekt von Handicap International und HelpAge Deutschland hilft denen, die am meisten unter den Dauerkrisen leiden. Es schafft eine Basisversorgung für indigene Gemeinschaften und geflüchtete Menschen – und rückt vor allem Ältere und Menschen mit Behinderung in den Fokus der Unterstützung.
+++ Spendenaufruf +++
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