von Aktion Deutschland Hilft/Die Johanniter
Florian Meyer ist Sicherheitsreferent in der Berliner Geschäftsstelle der Johanniter. Er und sein Team halten regelmäßig Kontakt zu den Kolleg:innen in den Länderbüros, erstellen Gefährdungsanalysen und detaillierte Sicherheitspläne, um Helfer:innen, die in gefährlichen Regionen arbeiten, bestmöglich zu schützen. Im Interview spricht Florian Meyer über die aktuelle Lage in der DR Kongo und wie die jüngsten Kämpfe die Arbeit der Johanniter beeinflussen.
Viele mussten erneut fliehen
Aktion Deutschland Hilft: Sie halten sich aktuell in Goma auf. Können Sie uns einen Überblick über die derzeitige Lage nach den jüngsten Kämpfen geben?
Florian Meyer: Im Moment ist die Lage in Goma, zumindest tagsüber, relativ ruhig, und die Bevölkerung hat ihre Aktivitäten wieder aufgenommen. Geschäfte haben wieder geöffnet, fliegende Händler bieten ihre Waren am Straßenrand an, und auch auf den vielen Baustellen wird wieder gearbeitet. Ein großes Problem bleibt aber, dass die Banken nach wie vor geschlossen sind und die Menschen keinen Zugriff auf ihre Konten haben.
Auch die Schulen sind seit Montag auf Anweisung der von der M23 neu eingesetzten Verwaltung wieder geöffnet. Aber viele Eltern zögern aufgrund der anhaltenden Unsicherheit noch, ihre Kinder wieder dorthin zu schicken. Insgesamt ist die Sicherheitslage noch sehr angespannt, und insbesondere nachts kommt es regelmäßig zu Schusswechseln, Einbrüchen und Überfällen.
Die abziehenden kongolesischen Soldaten und mit ihnen verbündeten Milizen haben sich zum Teil ihrer Waffen entledigt, die nun in Goma kursieren. Die allgemeine Unsicherheit wird von manchen in der Bevölkerung dazu genutzt, offene Rechnungen zu begleichen oder teilweise das Recht selbst in die Hand zu nehmen.
Wie haben Sie und Ihr Team die letzten Tage vor Ort erlebt?
Unsere lokalen Kolleg:innen hatten sich über die Tage der Kämpfe in Goma in ihren Wohnungen verschanzt. Nachdem sich die Lage relativ beruhigt hatte, haben sie sich natürlich zuerst um ihre Familien gekümmert, zum Teil haben sie diese aus Goma an sicherere Orte gebracht.
Schon eine Woche nach der Eroberung der Stadt durch die M23 haben sie aber aus eigener Initiative das Büro wieder geöffnet und zunächst für einige Stunden am Tag die Arbeit wieder aufgenommen. Es war beeindruckend zu sehen, wie engagiert und motiviert das Team war, trotz der widrigen Umstände und aller Unsicherheit.
Ich bin Anfang Februar in Gisenyi, der ruandischen Grenzstadt, einen Steinwurf von Goma entfernt, angekommen, um das Team zu unterstützen, insbesondere die Sicherheitslage zu evaluieren und die Unversehrtheit unserer Mitarbeitenden sicherzustellen. Ich bin fast täglich in Goma unterwegs, begleite das Team und unterstütze die Vernetzung mit den anderen humanitären Organisationen.
Hatten die jüngsten Kämpfe auch Auswirkungen auf die Arbeit der Johanniter?
Während der Kämpfe mussten wir unsere Aktivitäten vorübergehend einstellen. Seit fast zwei Jahren sind die Gebiete um Goma herum besetzt. Wir haben deshalb unsere Aktivitäten zu einem großen Teil auf Goma selbst konzentriert, wo wir vor allem in den Camps die Gesundheitsversorgung der Vertriebenen sichergestellt hatten.
Im Zuge der Eroberung der Stadt sind viele der Campbewohner:innen erneut geflohen, in einzelnen Camps kam es dabei auch zu Plünderungen unserer Kliniken. Zudem ist das zentrale Lager in Goma, in dem wir Medikamente und therapeutische Zusatznahrung gelagert hatten, geplündert worden.
Der Zugang zu den Betroffenen in und um Goma ist jetzt wieder relativ problemlos möglich. Natürlich müssen wir dabei stets die noch volatile Sicherheitslage im Auge behalten. Bisher gibt es aber keine Anzeichen, dass die M23 den Zugang für humanitäre Organisationen behindert.
Gebraucht wird aktuell alles. Insbesondere die Lage der Vertriebenen, die nun oft schon zum x-ten Mal fliehen mussten, ist prekär. Aber auch die aufnehmenden Gemeinden brauchen dringend Unterstützung.
Gibt es unter den aktuellen Bedingungen besondere Herausforderungen bei der Versorgung von Betroffenen?
Eine große Herausforderung ist die erzwungene Mobilität der Vertriebenen. Die neue Verwaltung wollte Camps kurzfristig schließen, was große Unsicherheit auslöste. Einige Menschen haben sich daraufhin tatsächlich auf den Weg in ihre Heimatregionen gemacht.
Für viele war dies aber keine Option, da ihre Häuser in den Dörfern zerstört sind und Lebensgrundlagen fehlen. Einige Menschen flohen direkt nach Goma, andere blieben in den umliegenden Camps. Kurz vor Fristende wurde die Schließung zurückgenommen, sodass manche wiederum in die Camps zurückkehrten.
Für uns Johanniter heißt das, dass wir mit unserer Gesundheitsversorgung extrem flexibel sein müssen. Wir planen derzeit sowohl mobile Kliniken, um die Menschen auf dem Weg in ihre Heimatregionen zu begleiten, als auch eine Wiederaufnahme unserer Gesundheitsstationen in einigen Camps und die weitere Unterstützung der Kliniken in den Rückkehrgebieten, in denen wir schon vor der jetzigen Eskalation des Konflikts gearbeitet haben. Das bringt uns schon an die Grenzen unserer personellen und finanziellen Kapazitäten.
Kenia und weitere afrikanische Staaten wollen im Konflikt vermitteln. Wie schätzen Sie das ein: Gibt es Hoffnung auf einen Waffenstillstand oder gar Friedensgespräche?
Eine Einschätzung abzugeben ist momentan schwierig, da neben den lokalen bewaffneten Akteuren auch regionale Mächte in den Konflikt involviert sind. Jüngste Friedensinitiativen der East African Community und der Southern African Development Community fordern Verhandlungen unter Einbezug der M23 sowie den Abzug aller nicht eingeladenen, fremden Truppen aus der DR Kongo. Doch eine Reaktion der kongolesischen Zentralregierung darauf fehlt bisher.
Wir gehen für die nahe Zukunft von drei möglichen Szenarien aus: einer Gegenoffensive der kongolesischen Armee mit ihren Verbündeten und der Rückeroberung Gomas, einem Abzug der M23 aus Goma aufgrund internationalen Drucks, wie es 2012 der Fall war, oder einer relativen Stabilisierung der gegenwärtigen Lage mit anhaltender Kontrolle der M23 über Goma und Teile von Nord-Kivu über die nächsten Wochen oder Monate. Das letzte Szenario halten wir nach derzeitiger Lage der Dinge für das wahrscheinlichste.
So leistet unser Bündnis weltweit Flüchtlingshilfe
Die Hilfsorganisationen unseres Bündnisses sind weltweit aktiv und unterstützen die Kinder, Frauen und Männer mit lebenswichtigen Hilfsgütern!
Beispiele für die Hilfe unserer Bündnisorganisationen in den Ländern, aus denen die meisten Geflüchteten stammen:
Afghanistan: Wir sorgen dafür, dass Binnenvertriebene Nahrungsmittel und Bargeld erhalten und ermöglichen die Behandlung von schwer unterernährten Kindern. Zudem beschaffen wir Baumaterial und unterstützen bei der Reparatur von Unterkünften.
Jemen: Wir verteilen Lebensmittel sowie Trinkwasser und leisten medizinische Hilfe. Um die lokale Wirtschaft zu stärken, unterstützen wir Landwirt:innen mit Saatgut und Medikamenten für Nutztiere sowie Fischer:innen mit Fortbildungen.
Somalia: Wir unterstützen die Bevölkerung beim Aufbau von Imkererien und weiteren Selbstständigkeiten. Außerdem installieren wir Solarleuchten und bauen Wasserspeicher und Brunnen.
Syrien: Wir unterstützen die Menschen beim Neubeginn nach der Erdbebenkatastrophe im Februar 2023 durch Zugang zu Gesundheitsversorgung, Wiederherstellung von Infrastruktur sowie der Verteilung von Bargeld.
DR Kongo: Wir stärken die Basisgesundheitsversorgung für Schwangere und Neugeborene durch medizinisches Equipment und Medikamente sowie Aufklärung über Unterernährung und Krankheiten.
Ukraine: Wir leisten den Menschen psychologische Hilfe und helfen bei Reparaturen von Häusern sowie beim Ausbau kritischer Infrastruktur. Wir unterstützen digitale Lernplattformen, damit Kinder den Anschluss in der Schule nicht verpassen
Sudan: Wir ermöglichen den Ausbau von Wasserstellen und Solarzellen. Außerdem leisten wir in entlegenen Gebieten medizinische Hilfe, etwa für unterernährte Kinder.
Helfen Sie uns, zu helfen: Jetzt mit Ihrer Spende!
Beispiele für die Hilfe unserer Bündnisorganisationen in den Ländern, in denen weltweit die meisten Geflüchteten Zuflucht suchen:
Bangladesch: Wir unterstützen geflüchtete Rohingya, die geschlechtsspezifische Gewalt erfahren haben und psychosoziale Unterstützung benötigen. Außerdem stärken wir die Gesundheitsversorgung in den Camps.
Kolumbien: Wir ermöglichen Fachkräften im Gesundheits- und Bildungswesen Schulungen und setzen uns für die Inklusion von Menschen mit Behinderungen ein. Zudem beraten wir Geflüchtete aus Venezuela.
Äthiopien: Wir stärken landwirtschaftliche Betriebe durch den Aufbau von Baumschulen, Verteilung von Tierfutter und Aufklärung über Tiergesundheit. Außerdem ermöglichen wir den Bau von Regenwasserspeichern und Bewässerungssystemen.
Nigeria: Wir stärken die Nahrungsmittel- und Trinkwasserversorgung für Geflüchtete und bieten Menschen, die Traumatisches erlebt haben, psychosoziale Unterstützung an.
Polen: Wir unterstützen Geflüchtete mit Bargeld sowie der Vermittlung von Berufen und Schulungen. Zudem setzen wir uns für stark marginalisierte Gruppen wie Rom:nja ein.
Deutschland: Wir tragen dazu bei, Menschen das Ankommen in der neuen Umgebung mit Beratung und Dolmetscherdiensten, Bargeldhilfe und Mietzuschüssen oder auch Freizeitangeboten zu erleichtern.
Pakistan: Wir ermöglichen den Bau und die Sanierung von Handpumpen und Wasserkanälen, verteilen Nothilfepakete an Geflüchtete aus Afghanistan und verbessern die medizinische Versorgung.
Danke an alle, die helfen!
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