von Aktion Deutschland Hilft/AWO International
Mykolajiw ist eine der vielen ukrainischen Regionen, in denen der Krieg seit 2022 den Alltag prägt.
Kateryna Matsko von Rokada, einer Partnerorganisation von AWO International, und Oleksii Nepsha von AWO International, begegnen täglich den Menschen vor Ort. Im Interview berichten die beiden Koordinator:innen von ihrer Arbeit.

AWO International: Wie ist die aktuelle Situation vor Ort?
Oleksii Nepsha: Die Armut in der Region nimmt rapide zu, vor allem in den ländlichen Gemeinden. Dieses Problem gibt es in der Ukraine schon lange, aber in den vergangenen Jahren hat es sich verschärft. Viele Menschen haben ihr stabiles Einkommen verloren und die verfügbaren Arbeitsplätze sind oft schlecht bezahlt.
Viele Firmen haben die Region verlassen. Nun versuchen die lokalen Behörden, sie zurückzuholen. Aber die Unternehmen zögern, viele haben sich bereits woanders etabliert.

Kateryna Matsko: Eine weitere große Herausforderung betrifft die Infrastruktur. Obwohl es auch hier immer wieder Angriffe gibt, fliehen viele Menschen aus anderen Gebieten in unsere Region. Zum Beispiel aus dem nahegelegenen, zeitweise besetzten Cherson. Der Druck auf die Versorgungssysteme und sozialen Dienste ist enorm.
Und wie helfen Sie den betroffenen Menschen?
Oleksii: Wir führen aktuell zwei Projekte durch. Das erste richtet sich an besonders schutzbedürftige Menschen und an Einrichtungen, die sie versorgen. Dazu gehören psychosoziale Betreuung sowie verschiedene Reparaturen.
Eine besonders wertvolle Maßnahme ist die Vorbereitung auf die Wintermonate: Wir versorgen Haushalte mit festen Brennstoffen, damit sie in der kalten Jahreszeit heizen können. Außerdem helfen wir Menschen mit eingeschränkter Mobilität, indem wir sie zu wichtigen Dienstleistungen und Krankenhäusern fahren.
Unser zweites Projekt stärkt zusätzlich die Widerstandsfähigkeit ganzer Gemeinschaften.
Was bedeutet Widerstandsfähigkeit in diesem Zusammenhang?
Oleksii: Unser Ziel ist, den Menschen dabei zu helfen, in ihren Gemeinden zu bleiben und sich dort eine Zukunft aufzubauen. Wir bieten soziale und rechtliche Beratung sowie individuelle Sitzungen für Menschen an, die mit Traumata oder Belastungen zu kämpfen haben.
Psychosoziale Betreuung spielt dabei eine zentrale Rolle: Sie stärkt die Menschen dabei, trotz des brutalen Kriegs den Alltag weiter zu meistern – von der Rückkehr an den Arbeitsplatz bis hin zum Wiederaufbau ihrer Häuser.
Kateryna: Viele Ukrainer:innen leiden unter kriegsbedingten Traumata. Niemand weiß, wie lange es dauern wird, bis sich die Bevölkerung psychisch stabilisiert hat. In der Zukunft möchten wir Selbsthilfegruppen ins Leben rufen.
Oleksii: Und wir planen die Einrichtung von sogenannten Resilienz-Hubs in vier Gemeinden. Das sind Räume für Integration, Selbsthilfe und Schulungen.
Bildergalerie: Unsere Hilfe für die Menschen aus der Ukraine
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Wie seid ihr noch aktiv, um die Menschen langfristig unterstützen zu können?
Oleksii: Wir bieten zum Beispiel noch berufliche Weiterbildungen und Umschulungen an. Durch den Krieg sind viele Arbeitsplätze in “traditionell männlichen” Berufen unbesetzt. Wir unterstützen Frauen, die beispielsweise eine Ausbildung zur Bus- oder Straßenbahnfahrerin machen möchten.
Insgesamt achten wir darauf, die Unterstützung auf die Bedürfnisse jeder Gemeinde zuzuschneiden. In einer Gemeinde haben wir ein Gewächshaus gebaut, das mit einer örtlichen Landwirtschaftsschule verbunden ist. Eine andere Gemeinde hat 3D-Drucker angefragt. Also haben wir die Geräte geliefert und installiert.
Wie ist es, unter diesen Bedingungen zu arbeiten?
Kateryna: Meine tägliche Arbeit lebt von Koordination und dem engen Austausch mit den Menschen in den Gemeinden. Ich versuche zu verstehen, was sie brauchen und helfe ihnen dabei, Lösungen zu finden. Das motiviert mich sehr.
Oleksii: Ich besuche Projektstandorte, überprüfe den Fortschritt und koordiniere die Zusammenarbeit mit unseren Partnern. So habe ich in vielen abgelegenen Ortschaften gesehen, wie die Menschen dort leben. Manchmal ist das herzzerreißend, denn wir können leider nicht allen helfen.
Könnt ihr eine persönliche Geschichte aus dem Projekt erzählen, die euch bewegt oder Hoffnung gegeben hat?
Kateryna: Eine unserer Kolleginnen ist mit ihrem Kind und einer Katze aus Cherson geflohen – sie hatte nicht einmal Zeit, Kleidung zu packen. Sie dachte damals, sie sei nur für wenige Tage weg. Aber ihr Haus wurde zerstört und ist heute unbewohnbar.
Heute arbeitet sie nicht nur als Mitglied des Rokada-Teams, sondern auch als Freiwillige und Community-Aktivistin. Sie gibt anderen, die sich auch in einer schwierigen Situation befinden, etwas zurück.
Sie bearbeitet jeden Fall mit vollem Engagement und Mitgefühl. Trotz des Schmerzes, den sie mit sich trägt, findet sie in ihrer Arbeit einen Sinn und hilft anderen. Für uns alle ist sie eine echte Inspiration.
Gibt es noch etwas, was die Menschen in Deutschland über Mykolajiw wissen sollten?
Kateryna: Ich möchte, dass die Menschen wissen, dass es in Mykolajiw viele mutige und widerstandsfähige Menschen gibt. Trotz der ständigen Bombardierungen und Luftangriffe leben sie ihr Leben weiter und geben die Hoffnung nicht auf.
Humanitäre Hilfe ist hier nicht nur wichtig, sie ist unverzichtbar. Sie rettet Leben. Und es geht nicht nur um die Hilfe an sich, sondern darum den Menschen zu zeigen, dass sie nicht allein sind.
+++ Spendenaufruf +++
Aktion Deutschland Hilft, Bündnis der Hilfsorganisationen,
bittet dringend um Spenden für die betroffenen Menschen aus der Ukraine.
Stichwort: Nothilfe Ukraine
IBAN DE62 3702 0500 0000 1020 30, BIC: BFSWDE33XXX
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