von Aktion Deutschland Hilft
Als Nazmin, ihr Mann und die sechs Kinder am Sonntagabend ins Bett gingen, hatte die ganze Familie Hunger. “Die Kinder waren abends wütend auf mich, weil ich ihnen nichts geben konnte”, sagt Nazmin. Als sie mitten in der Nacht aufwachten, bebte die Erde, das kleine Haus der Familie stürzte zusammen. Und nichts war mehr so wie vorher.
Erdbeben Afghanistan: Nazmins Familie hat alles verloren
Nazmin und ihr Mann haben in dieser Nacht drei Kinder verloren, zwei Mädchen, einen Jungen, gerade einmal zwischen vier und sieben Jahren alt. “Sie lagen ganz friedlich in ihren Betten. Wir dachten, sie wären nur bewusstlos. Aber kein Arzt war da, um ihnen noch zu helfen”, sagt Nazmin. Auch sie und ihr Mann wurden von herabstürzenden Steinen verletzt, aber sie überlebten.
Normalerweise, sagt Nazmin, schlafe die Familie zu dieser Jahreszeit außerhalb der kleinen Hütte. An diesem Abend gingen alle zusammen im einzigen Raum ihres Hauses schlafen.
“Die Familien hier sind sehr arm”
Fareed, 40 Jahre alt, kennt Nazmins Familie sehr gut. Seit drei Jahren arbeitet er für die Johanniter. Er selbst lebte lange Zeit im dem Dorf Mijgandul in der Provinz Nangarhar, in dem das Erdbeben die Familie in der Nacht auf den 1. September 2025 entzwei gerissen hatte.

“Die Familien hier sind sehr arm. Ihre Häuser bestehen nur aus übereinander gestapelten Steinen, ohne Zement und mit einem Holzdach oben drauf”, sagt Fareed. Auch Nazmins Familie lebt in Armut. Dass abends nichts zu essen da ist, ist keine Ausnahme. “Die Kinder konnten nicht in die Schule gehen, die Familie lebte nur von der Hand in den Mund”, sagt er.
Menschen helfen mit bloßen Händen
In der Gegend Dara-e-Noor – zu Deutsch: Tal der Schönheit – wird Pashai gesprochen, eine fast ausgestorbene Sprache, die an keiner Schule gelehrt wird. “Das Bildungsniveau ist nicht sehr hoch, die Menschen können kaum lesen und sich nur schwer mit anderen verständigen”, sagt Fareed.
Er hat selbst noch Familienmitglieder, die im Dorf wohnen. “Meine Cousins berichteten mir am Telefon, wie sie alle dabei helfen, die Menschen eigenhändig aus den Trümmern zu bergen.” Bergungsteams mit großem Gerät schaffen es gar nicht in die entlegenen Dörfer. Die Helfer:innen müssen oft stundenlange Wege zu Fuß zu den Menschen in Not zurücklegen, weil die Straßen derzeit noch geräumt werden und nicht mit Fahrzeugen passierbar sind.
Die Angst vor immer höheren Todeszahlen
Auch deshalb sind die Befürchtungen groß, dass die Zahl der Toten weiter steigen könnte. Mehr als 2.000 Tote sind in der Erdbebenregion bereits geborgen worden, Tausende weitere sind verletzt, unzählige Häuser sind zerstört.
In Mijgandul leben rund 300 Familien. Sie alle arbeiten auf Feldern rund um das Dorf, haben Kühe, Ziegen und versuchen, so ihren Lebensunterhalt zu meistern. Die Schule ist nur zehn Fußminuten entfernt, auch eine kleine Klinik gibt es in der Nähe. Fareed erinnert sich an eine glückliche Jugend im Dorf.
Nach dem Erdbeben naht der Winter
Doch seit der Machtübernahme der Taliban im August 2021 hat sich viel verändert: Viele Kinder gehen nicht zu Schule. Die Taliban haben den Zugang zu Bildung für die Mädchen stark eingeschränkt, die Jungs müssen auf den Feldern arbeiten. Und oft können die Familien sich das Schulgeld ohnehin nicht leisten.
Nun haben die Menschen im Dorf das Wenige, was sie besaßen, verloren. Die Notlage der Menschen spitzt sich zu – auch weil der Winter naht. Mit Temperaturen, die unter den Gefrierpunkt fallen können, kann es in den entlegenen Gebirgsdörfern dann hart und gefährlich sein.
Nazmins Familie hat eine vorübergehende Unterkunft
Das Wichtigste für die Menschen nach der Erdbebenkatastrophe: Unterkünfte und Essen, sagt Fareed. Und der Wiederaufbau. Ständige Nachbeben und die Angst vor erneuten Hauseinstürzen machen das aber gerade fast unmöglich.
Die Lage der Menschen in Afghanistan war schon vor dem Regierungswechsel im Sommer 2021 schlimm. Inzwischen gilt das Land als eines mit der angespanntesten humanitären Situation weltweit. Hunger und Armut, Gewalt und Unsicherheit prägen den Alltag. Hinzu kommen wiederkehrende Naturkatastrophen wie Dürren, Überschwemmungen und Erdbeben.
Auch die wirtschaftliche Situation vieler Afghan:innen ist angespannt. Die Inflation lässt die Preise von Lebensmitteln und Treibstoff steigen. Ebenso schwierig ist die medizinische Versorgung. In vielen Regionen ist die Grundversorgung nur notdürftig gesichert.
- Mehr als 24 Millionen Menschen sind auf überlebensnotwendige humanitäre Hilfe angewiesen. Ungefähr die Hälfte davon sind Kinder.
- Mehr als 3 Millionen Menschen sind innerhalb Afghanistans auf der Suche nach einem Ort, an dem sie in Sicherheit leben können
- Rund 6 Millionen sind in Nachbarländer wie Pakistan und den Iran geflohen
Am 31. August 2025 um 23:47 Uhr Ortszeit erschütterte außerdem ein Erdbeben der Stärke 6,0 den Südosten Afghanistans. Hunderte Menschen kamen ums Leben, mehrere Tausend wurden verletzt. Es wird befürchtet, dass die Zahl der Toten und Verletzten weiter steigen könnte, da ländlichere Regionen im Umkreis des Epizentrums zum Teil nur schwer zugänglich sind.
Aufgrund der schlechten Bausubstanz und der geologischen Struktur forderte das Erdbeben schwere menschliche Opfer und materielle Schäden. Ganze Dörfer wurden dem Erdboden gleichgemacht. Straßen sind durch Erdrutsche und anhaltende Nachbeben blockiert, so dass die betroffenen Regionen nur schwer erreichbar sind.
Mehrere Bündnisorganisationen von Aktion Deutschland Hilft sind in Afghanistan im Einsatz, um den Menschen Nothilfe zu leisten.
- Wir leisten akute Nothilfe nach dem Erdbeben: mit Trinkwasser, Lebensmitteln, logistischer Unterstützung und Erster Hilfe
- Wir liefern Nahrungsmittel wie Mehl, Reis und Öl und weitere Hilfsgüter
- Wir verteilen Hygieneartikel, um der Ausbreitung von Krankheiten wie Cholera vorzubeugen
- Wir helfen vertriebenen Menschen in Afghanistan und den Nachbarländern
- Wir leisten Winterhilfe mit wärmenden Decken und Heizmaterial
- Wir zahlen Bargeld aus, damit sich die Menschen selbst mit dem Nötigsten versorgen können
- Wir ermöglichen medizinische Hilfe und psychosoziale Unterstützung für Kinder und Erwachsene
- Wir helfen Menschen, die verwundet wurden, mit Physiotherapie und Prothesen
- Wir liefern Medikamente und medizinisches Equipment
Die Hilfsorganisationen des Bündnisses, die vor Ort sind, sind teilweise seit vielen Jahren in der Region aktiv und eng mit lokalen Partnerorganisationen vernetzt.
Helfen Sie uns, zu helfen – jetzt mit Ihrer Spende!
In der vom Erdbeben betroffenen Region steht neben der Bergung und Rettung von Menschen auch die akute notfallmedizinische Versorgung im Vordergrund. Viele Menschen, besonders in den eingestürzten Gebäuden, werden noch vermisst. Besonders dringend benötigen die Menschen medizinische Hilfe. Viele Menschen haben ihre Häuser verloren und brauchen dringend Notunterkünfte.
Grundsätzlich brauchen die Menschen in Afghanistan aktuell Lebensmittel, sauberes Trinkwasser und medizinische Güter. Diese Hilfslieferungen sind in vielen Regionen des Landes überlebenswichtig.
Vulnerable Gruppen wie Frauen und Kinder sind besonders gefährdet. Bargeldzahlungen ermöglichen es den Menschen, sich mit den Dingen zu versorgen, die sie gerade am dringendsten benötigen.
Ebenso wichtig ist die Sicherung von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen für die lokale Bevölkerung, um mittel- und langfristige Perspektiven für die Menschen zu schaffen.
Ja, Ihre Spenden kommen trotz der Herausforderungen für humanitäre Hilfsorganisationen in Afghanistan bei den Menschen an, die Hilfe benötigen.
Hilfsgüter werden zum Beispiel zu einem großen Teil aus Nachbarländern geliefert oder im Land beschafft, um den Menschen vor Ort unmittelbar helfen zu können.
Wir helfen da, wo Menschen in Not sind. Hierzu kann es notwendig sein, Verhandlungen mit der jeweiligen Regierung zu führen. Das ist teilweise auch in Afghanistan der Fall. Zugleich arbeiten unsere Bündnisorganisationen eng mit unabhängigen Stellen wie UN-Organisationen zusammen.
Ziel ist es dabei immer, den Bedarf der Menschen zu erfassen und zielgerichtet zu helfen. Die Bündnisorganisationen und ihre lokalen Partner verwenden die Spendengemäß der humanitären Prinzipien wie Unabhängigkeit und Neutralität.
Hintergrund: Transparenz & Kontrolle
Bündnisorganisationen von Aktion Deutschland Hilft sind seit vielen Jahren im Land aktiv, um den Menschen auf vielfältige Weise zu helfen. Sie arbeiten dabei eng mit lokalen Partnerorganisationen oder Mitarbeitenden vor Ort zusammen.
Humanitäre Hilfe ist auch in der aktuellen Krise in Afghanistan möglich. Das zeigen die vielen bestehenden Hilfsprojekte unserer Bündnisorganisationen vor Ort und in den Nachbarländern.
Während und nach der Machtübernahme der Taliban haben unsere Hilfsorganisationen ihre Arbeit fortgesetzt oder wiederaufgenommen. Aktivitäten der Bündnisorganisationen wie die Verteilung von Lebensmitteln, Bargeld und Medikamenten sowie der Betrieb medizinischer Einrichtungen sind derzeit weiter möglich.
Die Hilfsorganisationen, die in Afghanistan tätig sind, führen einen beständigen Dialog mit den regierenden Parteien. Das Ziel dabei ist es, einen sicheren Zugang zu Hilfe zu verhandeln. Sie sind dabei sehr standhaft, um unabhängige Hilfe durchzusetzen. So können sie auch in Afghanistan vielerorts einen Zugang zu professioneller humanitärer Hilfe zugunsten der Bevölkerung erreichen.
Aktion Deutschland Hilft und die Bündnisorganisationen leisten – ihrem humanitären Mandat folgend – Hilfe unabhängig von ethnischer oder politischer Zugehörigkeit, Religion, Geschlecht und Nationalität.
Hilfsorganisationen im Bündnis arbeiten eng mit lokalen Partnerorganisationen zusammen, um Bedarfe zu ermitteln und Spenden zielgerichtet an betroffene Menschen verteilen zu können.
Nazmin und ihr Mann bekamen medizinische Hilfe in der kleinen Klinik, die nur wenige Kilometer vom Dorf entfernt ist. Nun haben alle fünf zusammen bei Fareed Zuflucht gefunden. “Meine Familie hat ein neueres Haus, das erdbebensicher ist. Hier sind alle meine Familienmitglieder untergekommen”, sagt er. “Nazmins Familie kann so lange bleiben, bis ihr Haus wieder aufgebaut ist.”
+++ Spendenaufruf +++
Aktion Deutschland Hilft, Bündnis der Hilfsorganisationen,
bittet um Spenden für die vom Erdbeben betroffenen Menschen in Afghanistan.
Stichwort: Erdbeben Afghanistan
IBAN DE62 3702 0500 0000 1020 30, BIC: BFSWDE33XXX






