von Aktion Deutschland Hilft
Mitte Juli haben wir auf dramatische Weise vor Augen geführt bekommen, wie eine Naturkatastrophe mitten in Deutschland für großes Leid und unvorstellbare Verwüstung sorgen kann. Das Hochwasser in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz war die verheerendste Flutkatastrophe der Nachkriegszeit in Deutschland.
Vom ersten Tag an waren unsere Bündnisorganisationen vor Ort und leisteten professionelle Hilfe. Die Spendenbereitschaft war beispiellos, die Solidarität der Menschen bundesweit grenzenlos. Zeitgleich hatte die COVID-19-Pandemie die Welt auch 2021 weiter fest im Griff, die Taliban drangen in Kabul ein und kurz vor Weihnachten wütete Taifun Rai auf den Philippinen.
Das Jahr 2021 – im Gespräch mit Edith Wallmeier und Manuela Roßbach
Aktion Deutschland Hilft: Das Bündnis feierte im letzten Jahr sein 20-jähriges Jubiläum. Was bedeuten zwei Jahrzehnte Aktion Deutschland Hilft?
Edith Wallmeier: 20 Jahre Aktion Deutschland Hilft bedeuten eine stetige gemeinsame Weiterentwicklung und Vernetzung aller unserer Bündnisorganisationen. Je besser unsere Organisationen im Bündnis zusammenarbeiten, desto schneller und effektiver können wir betroffenen Menschen nach Katastrophen weltweit helfen.
In den vergangenen 20 Jahren haben wir eine Menge dazugelernt und unsere Arbeit weiter professionalisiert. Zudem haben wir das Jubiläumsjahr dazu genutzt, um mit einer Kampagne das Thema Katastrophenvorsorge stärker in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung zu rücken.
Manuela Roßbach: 20 Jahre Aktion Deutschland Hilft – das bedeutet vor allem gemeinsames Helfen und Lernen. 20 Jahre konstruktiver und kritischer Austausch miteinander. 20 Jahre, in denen wir fast 2.500 Hilfsprojekte für Millionen von Menschen in Not initiiert haben. Damit humanitäre Hilfe weltweit effektiv und bedarfsgerecht geleistet werden kann.
Frau Wallmeier, Sie haben es bereits angesprochen: Im Jubiläumsjahr macht das Bündnis verstärkt auf die Dringlichkeit von Katastrophenvorsorge aufmerksam. Weshalb?
Die Menschen vor Ort sind die ersten, die nach einer Katastrophe handeln und helfen, bevor Unterstützung eintrifft. Diesen Menschen Werkzeuge an die Hand geben, Know-how vermitteln, sie dabei unterstützen Strukturen zu schaffen, damit sie nötige Vorkehrungen treffen und in der Not schnell reagieren können – das ist das Ziel von Katastrophenvorsorge. Nothilfe- und Vorsorgemaßnahmen müssen zusammenwirken, damit Hilfe effektiver und nachhaltiger wird.
Schauen wir nach Deutschland: Im Juli 2021 ereignete sich eine Hochwasserkatastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Vor welche Herausforderungen stellte dieses Ereignis – das quasi "vor der Haustür" stattfand – die Bündnisorganisationen?
Manuela Roßbach: Unsere Bündnisorganisationen haben alles in Bewegung gesetzt, um unmittelbar nach der Flutkatastrophe für die Menschen da zu sein. In den ersten Wochen und Monaten haben die Helfer:innen Flutbetroffene in Sicherheit gebracht, Mahlzeiten und Hygieneartikel verteilt, bei Aufräumarbeiten geholfen, Werkzeuge und Bautrockner bereitgestellt; die Menschen medizinisch versorgt und psychologisch betreut. Rund 32.000 Einwohner haben von uns Soforthilfen erhalten.
Über 200 Vereine und Initiativen wurden finanziell gefördert. Und das ist nur ein kleiner Teil der Maßnahmen. Der Wiederaufbau hat begonnen und unser Bündnis beteiligt sich selbstverständlich daran. Ich finde, dass die Flutkatastrophe uns vor Augen geführt hat, zu wie viel Hilfsbereitschaft und Solidarität wir im Stande sind. Über 279 Millionen Euro haben die Menschen allein an unser Bündnis gespendet. Das ist eine überwältigende Summe.
Edith Wallmeier: Die Flutkatastrophe war für unser Bündnis ein besonderer Einsatzfall. Nicht nur waren Helfer:innen und ihre Familien und Freunde von der Flut betroffen, auch die Hilfe lief etwas anders ab, als bei Einsätzen im Ausland. In Deutschland gilt für Hilfsorganisationen das Nachrangigkeitsprinzip.
Das heißt, Organisationen dürfen erst nachrangig zu den Leistungen des Bundes, der Länder, Städte, Gemeinden und der Versicherungen helfen. Dieser Umstand erforderte eine enge Zusammenarbeit und Absprache mit allen Beteiligten in den Katastrophengebieten. Trotzdem konnten und können unsere Organisationen die Menschen unterstützen.
Und wie ist es heute? Wie sieht die mittel- und langfristige Hilfe in den Hochwassergebieten aus?
Manuela Roßbach: Die Schaffung von Wohnraum ist ein zentraler Fokus der mittel- und langfristigen Hilfe. Mit Tiny Houses und modernen Wohncontainern haben wir bereits Orte aufgebaut, die das eigene Zuhause zwar nicht ersetzen, aber einen privaten und persönlichen Rückzugsort bieten. Viele betroffene Menschen konnten so in ihrer Region wohnen bleiben. In Zukunft wird der Wiederaufbau eine tragende Rolle spielen und die Frage, wie man wieder ein "altes neues" Zuhause errichten kann.
Bildergalerie: So hilft unser Bündnis in den Hochwassergebieten



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Edith Wallmeier: Neben der angesprochenen Schaffung von Wohnraum kümmern wir uns nach wie vor um die psychosoziale Unterstützung für Betroffene und für die Helfer:innen. Wir merken, dass nach der ersten Phase der akuten Not- und Soforthilfe diese Art der Unterstützung immer wichtiger wird.
Die Menschen brauchen Zeit und Beistand, um mit dem Erlebten und der veränderten Situation auf Dauer zurechtzukommen. Nicht selten müssen sich Betroffene in dieser schweren Zeit auch mit versicherungsrechtlichen Fragen auseinandersetzen. In den aufgebauten Flutbüros unserer Organisationen versuchen wir sie durch Beratungsangebote hier zu entlasten.
Welche Krisen haben das Bündnis in 2021 noch beschäftigt?
Manuela Roßbach: Das Erdbeben auf Haiti. Es rief automatisch Erinnerungen an Haiti 2010 wach. In den letzten Jahren wurde dort viel für Katastrophenvorsorge getan. Das hat dazu beigetragen, dass die Folgen des letztjährigen Erdbebens geringer ausfielen. Nichtsdestotrotz war Soforthilfe für die Menschen wichtig und nötig – und das ist sie bis heute.
Edith Wallmeier: 2021 gehörte auch die Fortsetzung der weltweiten Corona-Hilfe und die Unterstützung der Menschen im Jemen und in Syrien mit zu den wichtigen Aufgaben unseres Bündnisses. Taifun Rai hat kurz vor Weihnachten die Menschen auf den Philippinen hart getroffen.
Dank der "Nothilfe weltweit"-Spendengelder konnten unsere Organisationen mit Hilfsmaßnahmen schnell reagieren. Und dann wäre da noch die Machtergreifung der Taliban in Afghanistan. Die Folgen für die Menschen, besonders was die medizinische Versorgung und die Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln im Land angeht, sind gravierend. Das Bündnis weitet aktuell seine Hilfsprojekte aus und ruft zu Spenden auf. Wir dürfen die Menschen in Afghanistan nicht vergessen.
Bildergalerie: Unsere Nothilfe für Afghanistan



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Würden Sie uns noch einen kurzen Ausblick auf 2022 geben – Pläne, Hoffnungen, Wünsche?
Edith Wallmeier: Die Kämpfe in der Ukraine zeigen uns gerade eindrücklich, wie grausam die Auswirkungen von Krieg sind und was Menschen dabei durchleben müssen. Dieselben Schicksale, dieselben Nöte ereignen sich heute auch in Syrien, im Jemen oder in Tigray. Meine Hoffnung ist es, dass wir allen Menschen, die weltweit unter Krisen und Katastrophen leiden, unsere Aufmerksamkeit schenken – sie nicht vergessen und uns für sie engagieren.
Manuela Roßbach: Das finde ich auch. Und ich wünsche mir zudem, dass wir es schaffen, die breite Öffentlichkeit für das Thema Katastrophenvorsorge mehr zu sensibilisieren. Die Flutkatastrophe hat uns gezeigt, wie wichtig Vorsorge ist – in Deutschland und auf der ganzen Welt.
Edith Wallmeier ist Vorstandsvorsitzende von Aktion Deutschland Hilft und Geschäftsführerin Einsatzdienste und Bildung beim Arbeiter-Samariter-Bund. Manuela Roßbach ist geschäftsführende Vorständin von Aktion Deutschland Hilft.
Aktion Deutschland Hilft, Bündnis deutscher Hilfsorganisationen,
bittet dringend um Spenden für die weltweite Nothilfe
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