von Aktion Deutschland Hilft
Gemeinsam für Mütter in Not: Das ist der Fokus der gemeinsamen Weihnachtsaktion von WDR und Aktion Deutschland Hilft. Hintergrund: Frauen und ihre Familien sind in Katastrophen- und Krisengebieten auf besondere Unterstützung angewiesen.
Über Ursachen, Hilfsmöglichkeiten und Fortschritte geht es im Interview Dr. Christine Ludwig. Sie ist Fachreferentin für Ernährung und Gesundheit bei unserer Bündnisorganisation World Vision.
Aktion Deutschland Hilft: Wenn Katastrophen passieren, sind Frauen und Kinder mit am stärksten gefährdet. Warum?
Dr. Christine Ludwig: Tatsächlich ist das Risiko, bei einer Katastrophe ums Leben zu kommen, bei Frauen und Kindern 14 Mal höher als bei Männern.
Es gibt verschiedene Faktoren, die bestimmen, wie sich Katastrophen, Kriege und Krisen auf die betroffenen Menschen auswirken. Darunter sind geschlechtsspezifische Aspekte, das Alter, der sozioökonomische Status oder auch der kulturelle Hintergrund. Unter den betroffenen Menschen wiederum gibt es besonders vulnerable, also schutzbedürftige, Gruppen wie Frauen, Mädchen, Personen mit Behinderungen und ältere Menschen.
Die Lebens- und Einkommensverhältnisse, in denen die Menschen bisher gelebt haben, spielen eine besondere Rolle dabei, wie gut eine Krise bewältigt werden kann. Bereits bestehende Unterschiede wie Einkommenslücken, ungleiche Arbeitsbelastung sowie weniger Entscheidungsbefugnisse, etwa von Frauen und Mädchen, verstärken sich in Krisenzeiten.
Wie ist es mit der Gewalt gegen Frauen in Krisensituationen?
Sie ist ein gravierendes Problem. Laut den Vereinten Nationen war mehr als eine von zehn Frauen im vergangenen Jahr in der Partnerschaft sexueller und physischer Gewalt ausgesetzt. Im Chaos einer Krise und vor allem bei Flucht und Vertreibung, steigt die Zahl; dann ist etwa eine von fünf betroffen. Die Dunkelziffer liegt wahrscheinlich noch höher.
Sexuelle Gewalt gegenüber Frauen und Mädchen wird in vielen Konflikten als Waffe eingesetzt, um die Gesellschaft einzuschüchtern. Auch Zwangsverheiratung von Mädchen ist eine Form von geschlechtsspezifischer Gewalt.
Wie nützt World Vision dieses Wissen für Hilfseinsätze?
Wir berücksichtigen schon bei der Planung von Hilfsmaßnahmen, dass Frauen in Katastrophengebieten oft Schwierigkeiten haben, an Hilfsgüter zu gelangen oder Hilfsangebote anzunehmen, wenn sie sich zum Beispiel um Kinder oder Familienmitglieder kümmern müssen.
Unsere lokalen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sorgen dafür, dass etwa Orte und Zeiten für die Hilfsangebote entsprechend angepasst oder der Zugang auf andere Weise erleichtert wird.
Ein anderes Beispiel: Wenn in Krisenzeiten oder nach einer Naturkatastrophe die Gesundheitssysteme abrupt zusammenbrechen, ist es wichtig, diese Lücken zu füllen. Für humanitäre Hilfsorganisationen bedeutet das, besonders zu schützende Personengruppen wie schwangere oder stillende Frauen zu priorisieren, um die Risiken für sie zu reduzieren Gleichzeitig ist es wichtig, mit den Menschen im Umfeld zu überlegen, welche konkreten Schutzmaßnahmen effektiv gegen geschlechtsspezifische Gewalt und Ausbeutung umgesetzt werden können.
Um den Schutz von Frauen und Mädchen geht es auch bei einem der Hilfsprojekte von World Vision, das Spender:innen im Rahmen der gemeinsamen Spendenaktion mit dem WDR unterstützen können ...
World Vision hilft Familien in Cox's Bazar in Bangladesch. Dort, im weltweit größten Flüchtlingslager, leben mehr als 600.000 Rohingya. Das ist eine muslimische Minderheit, die 2017 aus Myanmar vertrieben wurde. Sie leben auf engstem Raum, in provisorischen Unterkünften. Es gibt wenig Privatsphäre und Schutz für Frauen und Mädchen, was sexuelle Belästigung, Misshandlung und weitere Gefahren wie Zwangsverheiratung mit sich bringt.
Die Entwicklung, Kinder früh zu verheiraten, verstärkt sich in Krisenzeiten und wenn die Lebensumstände unsicher sind – insbesondere in Ländern, in denen Frauen und Mädchen weniger Rechte haben.
Was ist das Ziel des Projekts?
Das Projekt verfolgt einen umfassenden Ansatz, um geschlechtsspezifischer und sexualisierter Gewalt vorzubeugen und denjenigen zu helfen, die davon betroffen sind. Es schaut sowohl auf die Wohnbedingungen als auch auf Gesundheitsaspekte und Schutzsysteme. Dabei arbeiten unsere eigenen Fachleute eng mit lokalen Partnerorganisationen sowie der einheimischen Bevölkerung zusammen.
Wir unterstützen unter anderem die Arbeit von Kinderschutzausschüssen. Das sind gemeindebasierte Gremien, die mit Profis und Ehrenamtlichen Aufklärungsarbeit leisten, aber auch Meldungen über Vorfälle bearbeiten. Unsere lokalen Teams sensibilisieren auch Multiplikatoren, etwa die Imame als religiöse Leiter der Gemeinschaften. Zudem schaffen unsere Teams Rückzugsorte, an denen sich Mädchen und Frauen sicher fühlen dürfen.
Die Hilfe richtet sich also nicht "nur" an die betroffenen Frauen und Mädchen ...
Der ganzheitliche Ansatz ist von großer Bedeutung. Es ist wichtig, dass das Umfeld mit einbezogen und mit allen Mitgliedern der Haushalte zusammengearbeitet und gesprochen wird. Es geht darum, auf Probleme aufmerksam zu machen und ein schützendes, die Menschenrechte achtendes Verhalten zu stärken – von allen Menschen innerhalb von Gemeinschaften, in der die Frauen und Mädchen leben. Männer dürfen nicht ausgeschlossen werden – sonst würde ja eine erneute Geschlechterungleichheit entstehen.
Zur ganzheitlichen Hilfe zählt auch, die mentale Gesundheit zu stärken. Gerade für Menschen, die viel Gewalt erleiden oder ständiger Lebensgefahr ausgesetzt sind, sind diese Maßnahmen wichtig. Etwa in der Ukraine ...
Da sind wir beim zweiten Hilfsprojekt von World Vision, das im Rahmen der gemeinsamen Spendenaktion mit dem WDR gefördert wird.
Mehr als die Hälfte aller Kinder in der Ukraine ist vertrieben worden und immer häufiger zeigen die dort noch lebenden Kinder Symptome von Traumata. Ziel des Hilfsprojekts von World Vision ist daher, in den Regionen Cherson, Dnipro und Charkiw die mentale und psychische Gesundheit von Kindern und Eltern zu stärken.
Dafür ermöglichen wir Einrichtungen von Partnerorganisationen, Sozialarbeitern und Psychologen Fortbildungen mit Fokus auf das Kindeswohl. Zusätzlich sind mobile Teams aktiv, die Menschen bei mentalen Notleiden unterstützen, zum Beispiel in Notunterkünften. Außerdem beraten lokale Teams Mütter und Väter darin, wie sie ihre Kinder unterstützen können. Und auch hier entstehen sichere Rückzugsorte für Kinder und Frauen.
World Vision ist seit vielen Jahren weltweit im Einsatz, um die Lebensbedingungen von Kindern und ihren Familien zu verbessern. Was hat sich verbessert?
Ein positiver Trend ist der Rückgang der Mütter- und Kindersterblichkeit innerhalb der letzten 30 Jahre. Gründe für diese Entwicklung sind unter anderem, dass der Zugang zu Gesundheitssystemen verbessert wurde und mehr Menschen für die Bedeutung von Vorsorgeuntersuchungen in der Schwangerschaft oder Schutzimpfungen für Kinder sensibilisiert sind.
Trotzdem gibt es noch viel zu tun: Bis heute stirbt alle elf Sekunden eine schwangere Frau oder ein Neugeborenes.
Um große Durchbrüche und nachhaltige Verbesserungen zu erzielen, muss unsere Arbeit Hand in Hand gehen mit staatlichen Reformen und zivilem Engagement. Deshalb ist World Vision in den Partnerländern und international in Netzwerken aktiv.
Wie tragen Hilfsorganisationen weiterhin zu mehr Gesundheit für Frauen und ihre Kinder bei?
Neben der Unterstützung bei der Ausstattung von Gesundheitseinrichtungen sind in vielen Regionen sogenannte Gesundheitsmitarbeitende auf Gemeindeebene von großer Bedeutung. Sie besuchen regelmäßig Haushalte, gehen mit werdenden Müttern und Familien in den Dialog.
Es geht zum Beispiel um wichtige Untersuchungen in der Schwangerschaft, die Bedeutung des Stillens in den ersten sechs Lebensmonaten und einer ausgewogenen Ernährung für Kinder sowie Kinderkrankheiten und wie man sie erkennt.
Dabei werden Inhalte jeweils an den Kontext und die Bedürfnisse der Menschen angepasst. Denn jedes Land, jede Familie ist anders.
Quellen: Action Aid (On the Frontline: Catalysing Women’s Leadership in Humanitarian Action); The World Bank; Unicef; United Nations Development Programme (Gender, adaptation and disaster risk reduction); UN Women (The Gender Snapshot 2022); WHO
Der WDR und Aktion Deutschland Hilft rufen im Dezember 2023 gemeinsam zu Spenden auf: um Frauen weltweit zu unterstützen und ihnen den Weg in eine selbstbestimmte, gesunde und sichere Zukunft zu ermöglichen. Danke an alle, die helfen!
+++ Spendenaufruf +++
Aktion Deutschland Hilft, Bündnis der Hilfsorganisationen,
bittet dringend um Spenden für die weltweite Nothilfe
Stichwort: Nothilfe weltweit
IBAN DE62 3702 0500 0000 1020 30, BIC: BFSWDE33XXX
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