Das Olivenbäumchen hat es Marcel Baeriswyl besonders angetan: „Es trägt nur leider nicht, dafür ist es hier einfach zu kalt“, sagt er und zupft einige verwelkte Blätter von den Ästen. Das Bäumchen schmiegt sich an das wildumrankte Reihenhaus mitten in Siegburg bei Bonn, wo der gebürtige Schweizer mittlerweile seine Heimat und seinen Ruhepol gefunden hat.
Doch bereits nach wenigen Minuten merkt man, dass es mit dem Ruhepol des 47-Jährigen nicht so weit her ist: Baeriswyl ist gedanklich längst wieder in Rumänien. Oder in Sri Lanka. Oder in Kenia, Indien, Georgien, Angola, Eritrea, Vietnam, Libanon, Afghanistan, Namibia und Bosnien-Herzegowina.
Überall dort eben, wo der 47-Jährige im Lauf der letzten Jahre und Jahrzehnte orthopädische Projekte angestoßen hat – erst im Auftrag des Internationalen Roten Kreuzes IKRK in Genf, seit 1996 für die Johanniter-Unfall-Hilfe. „Es gibt kaum etwas Motivierenderes, als bei einem Amputierten langsam Fortschritte zu sehen und ihn bis zur vollständigen Rehabilitation zu begleiten“, sagt er.
Ursachen der Behinderung sind vielfältig
Weltweit sind etwa 400 Millionen Menschen von Behinderungen betroffen. Nicht einmal zwei Prozent dieser Menschen haben nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) Zugang zu medizinischen Rehabilitationsmaßnahmen. In Entwicklungsländern leben 80 Prozent der Menschen mit Behinderung von weniger als einem Euro pro Tag; gleichzeitig haben 20 Prozent der ärmsten Menschen auf der Welt eine Behinderung – Zahlen, die den wechselseitigen Zusammenhang zwischen Armut und Behinderung offenbaren. Hinzu kommt, dass in Entwicklungsländern nur etwa zwei Prozent der behinderten Kinder eine Schule besuchen können – häufig ist fehlende Mobilität der Grund.
Die Ursachen der Behinderung sind indes vielfältig: Schwere Krankheiten wie Polio, Diabetes, HIV oder Masern gehören genauso dazu wie angeborene Missbildungen sowie Verletzungen infolge von Naturkatastrophen, Verkehrs- oder Arbeitsunfällen, Folter, Streubomben oder Landminen. Marcel Baeriswyl erzählt außerdem von einem Jungen, der beim Tritt auf eine Starkstromleitung beide Beine verloren hat oder einem jungen Mann, dessen Unterschenkel von einem Pferd abgebissen wurde. „Die Menschen behandeln sich in ihrer Not dann oft erst einmal selber und behelfen sich dabei mit Alltagsgegenständen“, berichtet der Orthopädietechniker. So würde schon mal aus Teilen eines Autoreifens ein neuer Fuß geformt oder müsse ein Tischbein als neues Bein herhalten, welches dann mit alten Lappen am Oberschenkel fixiert wird.
Bürokratische Hürden lassen verzweifeln
Das Ziel der Johanniter ist es, den Opfern eine menschenwürdige Versorgung zu ermöglichen – und um das zu erreichen, zieht Baeriswyl von Land zu Land und baut Orthopädiezentren unterschiedlicher Größe und Ausstattung auf. Der 47-Jährige kümmert sich dabei längst nicht nur um die Behandlung der Menschen und die Aus- und Weiterbildung des örtlichen und internationalen Personals – zu seinen Aufgaben zählen unter anderem auch das Einreichen der Projektanträge, die Kontaktaufnahme zu den kommunalen Entscheidern, der Materialeinkauf und die Öffentlichkeitsarbeit. „Wichtig ist es, die Zentren mit bestehenden Gesundheitsstrukturen wie Krankenhäusern, Sonderschulen und Heimen zu vernetzen“, sagt Baeriswyl. Orthopädieprojekte seien Langzeitmaßnahmen und müssten auch über die Projektlaufzeit hinaus unterstützt werden.
Besonders die bürokratischen Hürden lassen Baeriswyl schon mal verzweifeln: „Das Verständnis der Politik für die Belange der Behinderten ist meistens dramatisch unterentwickelt“, klagt er. Viel zu selten erhalte man jene Unterstützung, die dem im Juni 2007 eröffneten Orthopädiezentrum im srilankesischen Galle zuteil wurde. „Dieses Zentrum hilft dem ganzen Land“, sagte seinerzeit der stellvertretende Sozialminister Lionel Premasiri über die Einrichtung, in der täglich bis zu 30 Patienten behandelt werden können. Die Mitarbeiter des Zentrums wurden intensiv geschult – unter anderem in den USA, in Indien und in Kambodscha. Zusätzlich wurde die Schuhwerkstatt erweitert, um noch mehr Patienten mit orthopädischen Schuhen oder speziellen Einlagen zu versorgen. Die Kofinanzierung des Zentrums in Sri Lanka erfolgte durch Aktion Deutschland Hilft.
Orthopädische Hilfe in Rumänien
Eine Herzensangelegenheit ist für Baeriswyl aber auch das mit Unterstützung der Johanniter errichtete Theranova-Gesundheitszentrum im rumänischen Oradea. Dank der modernen Ausstattung ist es hier möglich, Menschen mit Behinderungen professionelle Hilfe zukommen zu lassen.
Menschen wie Darius. Der Elfjährige kam bereits mit Missbildungen zur Welt, ihm fehlen beide Hände und ein Bein. Jahrelang besaß Darius nur eine provisorische und viel zu kurze Beinprothese – da zudem sein wachsender Knochen immer wieder hervortrat, hatte er massive Schmerzen und konnte sich nur sehr eingeschränkt bewegen. „Darius ist eigentlich ein sehr aktives Kind“, so Vater Marian. „Daher schmerzt es ihn ungemein, wenn er sich als eine Art Gefangener auf der heimischen Couch wiederfindet.“
Die Mitarbeiter des Theranova-Zentrums konnten Darius vor diesem Schicksal bewahren. Dank einer nach modernen Maßstäben erstellten Prothese kann er nicht nur wieder normal laufen, sondern auch Roller fahren und seiner Lieblingssportart frönen: Fußball. „Einmal habe ich so scharf geschossen, dass sogar ein Fenster zu Bruch gegangen ist“, erzählt er strahlend.
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