Interview mit dem Geschäftsführer von HelpAge, Michael Bünte
Was wird der demographische Wandel ändern?
Mitte dieses Jahrhunderts werden 80 Prozent der Älteren in den Entwicklungs- und Schwellenländern leben, insgesamt etwa 2 Milliarden Menschen. Dann wird es weltweit mehr Ältere als Kinder geben. Positiv gesehen bedeutet das, dass die Lebenserwartung vieler Menschen auch in armen Ländern deutlich steigt. Es bedeutet aber auch, dass in den Bereichen der Alterssicherung und Renten, der Gesundheitsversorgung und Pflege, des Arbeitsmarktes, der Stadtentwicklung, des Verkehrs und vielen anderen große Herausforderungen entstehen. Man sagt, dass die Industrieländer erst reich und dann alt wurden, während in den Entwicklungsländern heute die wirtschaftlichen Voraussetzungen sehr viel schwieriger sind, um Lösungen zu entwickeln. Dort gibt es z.B. in den Gesundheitssystemen noch kaum Vorsorge für die stark zunehmenden chronischen Erkrankungen oder die Demenzerkrankungen. Durch die zunehmende Abkehr vom Leben in Großfamilien und die Migration nimmt auch die Isolation älterer Menschen zu, ein Prozess, den wir schon hinter uns haben.
Welchen Wert hat das Alter(n) in unserer heutigen Gesellschaft?
HelpAge engagiert sich ja hauptsächlich in Entwicklungsländern. Viele Entwicklungen sind aber ähnlich wie unsere Erfahrungen in Deutschland. Einerseits werden Erfahrung und Wissen der Älteren nicht mehr für so wichtig gehalten angesichts schneller technischer und gesellschaftlicher Veränderungen. Auch im Süden haben ja viele Menschen inzwischen z.B. Zugang zum Internet. Auf der anderen Seite nimmt die Bedeutung der Älteren als Knoten im sozialen Netz aber immer mehr zu.
Ohne die Großmütter würden viele Aids-Waisen in Afrika nicht überleben und ohne die (Leih)Großeltern hätten in Deutschland viele Familien niemanden für die Kinderbetreuung. Und ehrenamtliche Arbeit, z.B. jetzt mit den Flüchtlingen, würde ohne die Älteren sicherlich nicht in einem solchen Umfang geleistet. Gleichzeitig wird immer häufiger die sog. Generationengerechtigkeit bemüht, um damit Ausgaben für heutige ältere Menschen gegen Ausgaben für zukünftige Generationen auszuspielen. Nicht bedacht wird dabei aber, dass z.B. ein funktionierendes Rentensystem, das Menschen nicht in die Altersarmut schickt, auch für die Jüngeren von heute eine wichtige Errungenschaft ist. Und ähnlich verhält es sich auch in den Entwicklungsländern, wo soziale Basisrenten schon heute die Armut vieler Familien deutlich verringern helfen. Die Wertschätzung für das Alter und die Älteren ist also sicherlich sehr widersprüchlich.
Die aktuellen Prozesse sind sehr widersprüchlich. In vielen Ländern, von denen wir bisher glaubten, sie hätten ein sehr harmonisches Zusammenleben von Älteren und Jüngeren, sehen wir einen starken Trend in die andere Richtung. Aus Indien berichtet unsere Partnerorganisation davon, dass Missbrauch und Gewalt gegen Ältere zunehmen. Viele Ältere landen auf der Straße, weil die Kinder sie aus den gemeinsamen Wohnungen schmeißen. Auch in Addis Abeba gibt es viele Ältere unter den Obdachlosen. In anderen Ländern und Regionen ist es noch nicht so weit. So fördert HelpAge z.B. Projekte in Peru, in denen das Wissen der Älteren sehr bewusst aufgewertet und die Weitergabe ihrer Erfahrungen an die jüngere Generation gefördert wird. Es ist wichtig, immer wieder darauf hinzuweisen, dass eine Gesellschaft sich nicht entwickeln kann, wenn sie den Blick in ihre Vergangenheit verweigert.
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