von Aktion Deutschland Hilft
Polio ist weniger präsent als noch vor wenigen Jahrzehnten – ausgerottet ist die ansteckende Infektionskrankheit aber noch nicht. Noch immer tritt sie fast überall auf der Erde auf, wenn auch dank Impfstoffen nur vereinzelt. Lesen Sie hier mehr über Erreger, Symptome und betroffene Länder.
Was ist Polio? Eine kurze Einführung in die Krankheit
Polio, kurz für Poliomyelitis, ist eine ansteckende, akute Infektionskrankheit. Weil meistens Kinder betroffen sind, wird die Erkrankung auch Kinderlähmung genannt. Sie ist nicht heilbar, einzig eine Polio-Impfung schützt vor einer Ansteckung.
Das Virus wird durch Schmierinfektion, etwa durch Ausscheidungen, oder durch Tröpfcheninfektion übertragen, und zwar von Mensch zu Mensch. Schlechte hygienische Verhältnisse begünstigen die Ausbreitung.
In starken Ausprägungen führt Polio zu bleibenden Lähmungen, häufig in Armen und Beinen. Auch die Atemmuskulatur kann betroffen sein; dann kann die Krankheit tödlich verlaufen.
Betroffene sollten sich isolieren und können Medikamente nehmen, um ihre Beschwerden zu lindern. Orthopädische Maßnahmen wie Krankengymnastik können nach einer durchgemachten Infektion helfen.
Fortschritte in der Bekämpfung und Ausrottung der Kinderlähmung
Die Impfungen haben zu großen Erfolgen bei der Bekämpfung des Polio-Virus geführt. Die Anzahl der weltweiten Fälle von Kinderlähmung liegt heute um mehr als 99 Prozent niedriger als noch in den 80er Jahren. Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) konnten durch Impfkampagnen bis heute 19 Millionen Menschen vor einer Lähmung und 1,5 Millionen Menschen vor dem Tod durch die Krankheit bewahrt werden.
Auch Bündnisorganisationen von Aktion Deutschland Hilft waren immer wieder mit Immunisierungen und Impfkampagnen aktiv, zum Beispiel in Afghanistan, auf den Philippinen und in Uganda.
In Deutschland gilt Polio seit den 90er Jahren als ausgestorben. Der Grund: konsequente Durchimpfung. Trotzdem muss das Infektionsgeschehen beobachtet werden; ebenso sind hohe Impfquoten weiter wichtig. Denn die Krankheit ist noch nicht überall auf der Welt ausgerottet und kann sich jederzeit wieder ausbreiten.
Kinderlähmung: Wo gibt es heute noch Polio?
Es gibt nur zwei Länder auf der Welt, in denen das Wildpolio-Virus nie besiegt werden konnte: Pakistan und Afghanistan. In Afghanistan hat die Taliban-Regierung Impfkampagnen lange unterbrochen. Und generell herrscht in Pakistan und Afghanistan eine sehr starke Skepsis gegenüber Impfungen.
Bei Polio wird zwischen Wildtypen und von Impfstoffen abgeleiteten Viren unterschieden. Letztere können in seltenen Fällen durch die Schluckimpfung mit Lebendimpfstoffen entstehen – abgeschwächte Erreger befinden sich im Darm des Impflings, werden ausgeschieden und können überleben, zirkulieren und mutieren, wenn nicht genügend Menschen geimpft sind.
Jüngere Polio-Fälle überall auf der Welt
So geschehen in New York und London. Dort wurde der Erreger 2022 im Abwasser nachgewiesen. Beide Städte reagierten mit verstärkten Impfkampagnen. Auch in anderen Ländern, die zuvor viele Jahre keine Fälle von Kinderlähmung mehr hatten, kam es wieder zu Polio-Infektionen, meistens mit dem durch den Impfstoff abgeleiteten Erreger.
In Afrika galt das Wildpolio-Virus nach groß angelegten Impfkampagnen eigentlich seit Jahren als ausgerottet. In Malawi und Mosambik wurde es 2022 jedoch wieder nachgewiesen. Und Fälle von Polio-Erkrankungen durch mutierte Impfviren kommen in vielen Ländern auf dem afrikanischen Kontinent weiter vor. Sie werden damit von der WHO als Risikoländer eingestuft.
Dutzende Risiko-Länder
Auf dieser Risiko-Liste stehen unter anderem auch der Jemen, Malaysia, Indonesien, Israel, das Vereinigte Königreich, die Vereinigten Staaten, die Ukraine, Iran, China und die Philippinen.
Die Beispiele zeigen: Sind zu wenige Menschen in einem Land geimpft, kann das Polio-Virus zurückkehren. Das Robert-Koch-Institut empfiehlt eine Impfquote von 95 Prozent, um eine Ausbreitung der Krankheit verhindern zu können. In Deutschland liegt die Quote bei Kindern im Alter von 15 Monaten laut letzter RKI-Angabe Ende 2022 bei nur 90,1 Prozent.
Warum ist Polio noch nicht besiegt?
Die Gründe für zu niedrige Impfquoten in allen möglichen Ländern auf der Erde sind vielfältig. Sie reichen von Kriegen und Konflikten, die Impfkampagnen behindern oder unmöglich machen, über eine unzureichende Gesundheitsversorgung und fehlender Infrastruktur bis hin zu einem fehlenden Bewusstsein über das Polio-Risiko.
Auch die Corona-Pandemie hatte einen Einfluss auf Impfkampagnen – so verpassten 2021 fast sieben Millionen mehr Kinder ihre dritte Dosis der Polio-Impfung im Vergleich zu 2019.
Nur die Beschwerden, die die Krankheit auslöst, können behandelt werden. Polio ist nicht heilbar, nur eine Impfung schützt.
Die Polio-Infektion verläuft häufig asymptomatisch. Das bedeutet, die infizierte Person merkt nichts von der Krankheit und ist im Nachgang immunisiert. Verläuft die Krankheit schwerer, treten zunächst grippeähnliche Symptome mit Fieber auf. Es kann zu einer Hirnhautentzündung kommen.
Die Symptome können ohne weiteren Folgen abklingen – oder es können Lähmungen auftreten. Meistens passiert das in Muskeln in Armen und Beinen, sie können aber auch in Bauch-, Brust- oder Augenmuskulatur auftreten.
Die Lähmungen können sich zurückbilden, meist bleiben sie aber zumindest zum Teil zurück. Eine von 200 Infektionen führt zu einer unumkehrbaren Lähmung. Ist die Atemmuskulatur von der Lähmung betroffen, ist Polio häufig tödlich.
Ja! Die Lähmungen treten häufiger bei Kinder als bei Erwachsenen auf. Deswegen lautet die deutsche Bezeichnung auch Kinderlähmung. Besonders Kinder unter fünf Jahren sind gefährdet. Trotzdem können auch Erwachsene erkranken.
Die Polio-Impfung ist der einzig wirksame Schutz gegen die Krankheit, denn sie ist nicht heilbar. Auch direkt behandelbar ist sie nicht, nur die Symptome können bei einer ausgebrochenen Polio-Erkrankung gelindert werden.
Es gibt zwei verschiedene Ansätze beim Impfstoff: Die Schluckimpfung mit einem Lebendimpfstoff und die Immunisierung via Spritze und Totimpfstoff. Beide haben ihre Vor- und Nachteile. Seit 1998 gibt es einen neuen, wirksameren Totimpfstoff, der seitdem in Deutschland von der Ständigen Impfkommission (STIKO) empfohlen wird.
Nein! In Deutschland gibt es einzig eine Masern-Impfpflicht für Kinder und einige andere Personengruppen. Die Ständige Impfkommission empfiehlt die Polio-Immunisierung aber allen Menschen, die keine oder nur unvollständige Impfungen bekommen haben.
Die Impfung mit dem Totimpfstoff wird von der STIKO allen Menschen zur Grundimmunisierung beziehungsweise zur Auffrischung empfohlen. Für die Grundimmunisierung sind drei Dosen vorgesehen, im Alter von zwei, vier und elf Monaten. Zwischen neun und 16 Jahren sollte dann eine Polio-Auffrischung verabreicht werden. Wer die Impfungen nicht bekommen hat, kann sie in jedem Alter noch nachholen.
Polio gilt in Deutschland als ausgerottet. Seit den frühen 90er Jahren gab es keine Fälle der Krankheit mehr.
Mit diesem Begriff werden zwei verschiedene Syndrome bezeichnet. Zum einen können Menschen gemeint sein, die nach einer Polio-Infektion Restlähmungen haben und nach einigen Jahren zusätzliche Beschwerden wie Ermüdbarkeit, Atemstörungen und Schmerzen haben. Zum anderen können Polio-Erkrankte gemeint sein, deren Lähmungen nach Jahrzehnten schlimmer werden.
Geschichte der Polio: Wie hat sich die Krankheit entwickelt?
Polio wurde als eigenständige Krankheit erstmals im 18. Jahrhundert beschrieben. Es gibt aber Hinweise, dass es Polio noch länger gibt. Eine Steintafel der alten Ägypter von 1500 v. Chr. könnte eine Zeichnung von einem Mann mit einem Polio-typisch deformierten Bein zeigen. Und Hippokrates, ein griechischer Arzt, der bis 370 v. Chr. lebte, schreibt in einem Text ebenfalls über Polio-typische Veränderungen.
Im Unterschied zu Seuchen wie Pocken und Pest waren Polio-Erkrankungen bis Ende des 19. Jahrhunderts eher Einzelfälle.
Der Wendepunkt kam 1880: Ab da trat Polio als Epidemie auf, die jedes Jahr Tausende Menschen betraf. So starben 1916 bei der Oststaaten-Polio-Epidemie in den USA mehr als 6.000 Menschen, 27.000 Menschen erlitten Lähmungen. Auch in Europa gab es immer wieder größere Ausbrüche, zum Beispiel 1952 in Deutschland mit fast 10.000 Erkrankungen und 778 Todesfällen.
Schluckimpfungen bringen den Durchbruch
Den ersten Polio-Impfstoff gab es 1954. 1960 kam der Lebendimpfstoff von Albert Sabin auf den Markt. In der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) begann man noch im selben Jahr, mit den Schluckimpfungen zu immunisieren. Mit Erfolg: Von 958 Polio-Fällen im Jahr 1959 reduzierte sich die Zahl auf nur vier Fälle im Jahr 1961.
1963 zog die Bundesrepublik offiziell nach. Im Ergebnis hat die Zahl der Polio-Erkrankten in Deutschland seit 1965 nie mehr die 50 überschritten. Ähnlich verhielt es sich mit den Zahlen in den USA: Seit 1961 wurde dort mit dem Lebendstoff geimpft, im selben Jahr gingen die Polio-Erkrankungen um 95 Prozent zurück.
Kurz: Der Polio-Lebendimpfstoff hat maßgeblich dazu beigetragen, dass die Kinderlähmung in den meisten Teilen der Erde ausgerottet ist.
Quellen: Auswärtiges Amt, Ärzteblatt, Bundesarchiv, Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Bayerischer Rundfunk, Deutschlandfunk, Global Polio Eradication Initiative, "History of polio vaccincation" von Anda Baicus, "Kurzlehrbuch Neurologie" von Heinrich Mattle und Urs Fischer, "Polio: An American Story" von David M. Oshinsky, Robert-Koch-Institut, Spiegel, Unicef, WHO (Stand Juli 2023)
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