Wiebke Kessens, Mitarbeiterin der Johanniter Auslandshilfe, reiste nach Jordanien und in den Libanon, um sich ein Bild über die Situation der Flüchtlinge vor Ort zu machen. In ihrem Reisetagebuch berichtet sie über die Schwierigkeiten und Herausforderungen, mit denen die Menschen konfrontiert sind.
Tag 1 - Renovierungsbedarf in Flüchtlingsunterkünften
Gelber Staub weht über die asphaltierte Straße. Beim Blick aus dem Autofenster lässt sich die nahe Wüste erahnen. Jetzt im Winter ist es auch hier sehr kalt. Wir sind auf dem Weg in die Stadt Irbid im Norden von Jordanien. Gemeinsam mit unserer Partnerorganisation „Jordan Health Aid Society“ (JHAS), einer der größten medizinischen Hilfsorganisationen in Jordanien, wollen wir Familien besuchen, die sich hier vor dem Krieg im benachbarten Syrien in Sicherheit gebracht haben. Keine 30 Kilometer sind es von hier bis zur Grenze.
In Irbid angekommen verlieren wir uns erstmal in dem schier endlosen Gewirr aus Straßen, Gassen und Menschen. Selbst für unseren lokalen Fahrer ist es nicht einfach, sich zurecht zu finden. Ein Mitglied der Flüchtlingsgemeinde zeigt uns schließlich den Weg. In der engen Straße stehen die Mehrfamilienhäuser dicht an dicht. Die Fassaden der Häuser sind alt und rissig. Die Farbe an den Hauswänden ist abgeplatzt. Wir gehen durch einen schmalen Durchgang im Vorderhaus in einen Innenhof. Durch eine Tür können wir eine offene Kochecke sehen. Wie die Tür ist sie alt und teilweise kaputt. Wäsche hängt zum Trocken im Innenhof.
Die Familie, ein Ehepaar und seine drei Kinder, bittet uns freundlich herein und wir setzen uns auf die an der Wand verteilten Matratzen. Die Familie erzählt uns von ihrer Heimat, einem kleinen Dorf in der Nähe von Damaskus. Auf ihrer Flucht aus Syrien konnten sie kaum etwas mitnehmen. Seit elf Monaten sind sie in Jordanien. Vom Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen haben sie ein wenig Kleidung, Decken, eine Grundausstattung zum Kochen erhalten – und die Matratzen auf denen wir sitzen. Richtige Möbel oder eine Ofen, mit dem sie die kalten feuchten Räume beheizen können, haben sie nicht. Auch für Herzmedikamente, die der Vater dringend braucht, ist kein Geld da. So geht es vielen Flüchtlingen, denn in Jordanien dürfen sie offiziell nicht arbeiten und bleiben so auf Hilfsmaßnahmen angewiesen. Keines der drei Kinder kann zur Schule gehen – den genauen Grund verstehen wir nicht, nur so viel, dass es Schwierigkeiten mit einer Behörde gibt. Wie so oft, ist auch die Wohnung dieser Flüchtlingsfamilie in katastrophalem Zustand: insbesondere die Küche – ohne Abwasserleitungen, mit kaputten Wänden, schlechten Installationen – und das Badezimmer müssen dringend Instand gesetzt werden.
Auch bei der zweiten Familie, die wir besuchen ein ähnliches Bild. Kaputte Wände, kaputte Dächer, kaputte Fenster. Es zieht, ist kalt und die Luft ist muffig. Durch die kleinen Fenster in der Souterrainwohnung fällt nur wenig Licht in die beiden Zimmer, die Tür öffnet direkt zur Straße, das Schloss funktioniert nicht richtig. Die Bewohner fühlen sich nicht wirklich sicher. In einem der Zimmer wohnt eine ungefähr 80-jährige Mutter mit ihrer Tochter, in dem anderen Zimmer ihr Sohn mit seiner Familie. Sie teilen sie sich eine kleine Kochnische und einen Waschraum. Die Dusche darin ist nur ein Schlauch, der von der Wand hängt, die Toilette nur ein Loch im Boden.
Ich bin froh zu wissen, dass beide Wohnungen bald von JHAS renoviert werden. Die Lebensverhältnisse von mehr als 1000 Flüchtlingsfamilien in Jordanien und im Libanon konnten wir zusammen mit unseren Projektpartnern auf diese Weise schon verbessern.
Was sich dadurch ändert, sehen wir in den nächsten beiden Wohnungen, die wir besichtigen. Sie wurden bereits von JHAS instand gesetzt. Die Wände strahlen weiß, es zieht nicht mehr und vor allem die Badezimmer und die Küchen sind deutlich einladender. Hier gibt es Warmwasserboiler, so dass sogar fließendes warmes Wasser verfügbar ist. Die Türen sind alle mit neuen Schlössern versehen und verschließbar, die Fenster haben Scheiben und Moskitonetze und lassen sich leicht öffnen. Neben dem Haus entdecken wir einen kleinen Garten in dem verschiedene Bäumchen wachsen. Die Bewohner erzählen uns, Syrer würden grundsätzlich gerne Gärten anlegen und außerdem würde das ja die Häuser auch von außen verschönern. Einiges blüht sogar schon. Ein Stück Heimat in der Fremde.
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