von Aktion Deutschland Hilft
Unter den Menschen, die aus der Ukraine nach Deutschland geflohen sind, sind viele Frauen und Männer hohen Alters und Menschen, die schwer erkrankt sind. Sie sind in dieser belastenden Situation auf besondere Unterstützung angewiesen.
Zu Besuch bei den Maltesern in Berlin
Tamara Maier ist die Koordinatorin der russisch- und ukrainischsprachigen Hospiz- und Trauerarbeit der Malteser in Berlin. Gemeinsam mit ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen wie Ludmila Schamber betreut sie unter anderem geflüchtete Menschen aus der Ukraine.
In diesen Interviews geben die Frauen Einblick in die Hospiz- und Trauerarbeit.
Tamara Maier: "Ein Lächeln gibt mir Kraft und Freude"
Ludmila Schamber: "Weiterleben – so gut es geht"
Tamara Maier: "Ein Lächeln gibt mir Kraft und Freude"
Aktion Deutschland Hilft: Frau Maier, wie hat sich Ihre Arbeit seit Beginn des Krieges in der Ukraine verändert?
Tamara Maier: Als viele Ukrainer:innen nach Deutschland kamen, sagten wir uns: Wir müssen diese Menschen unterstützen. Seit dem Frühjahr haben wir zahlreiche Familien begleitet. Flüchtlinge, die schwer krank sind. Meistens kontaktieren uns Krankenhäuser und Hospize, danach nehmen wir Kontakt zu den betroffenen Menschen auf.
Warum ist es so wichtig, dass kranke oder alte Menschen eine Ansprechperson haben, die ihre Sprache spricht?
Vor einigen Jahren habe ich eine Frau begleitet, die nach vielen Jahren in Deutschland gut Deutsch sprechen konnte, jedoch gebürtige Russin war. Sie sagte: Jetzt, wo ich so schwer krank bin, ist es für mich sehr bedeutsam, die Sprache zu sprechen, die ich als Kind gesprochen habe. Die Sprache, in der ich meine Gefühle exakt zum Ausdruck bringen kann.
Diesen Wunsch bemerke ich auch jetzt in der Begegnung mit den ukrainischen Flüchtlingen. Diese Menschen verlieren nicht nur ihre Gesundheit und ihr Leben, sondern haben auch durch den Krieg große Verluste erlitten, Menschen verloren, Bombenangriffe erlebt.
Manche sagen: Ich würde lieber Schmerzen ertragen, als jetzt allein sein. Neben der medizinischen Hilfe und Pflege ist diese Hilfe von Mensch zu Mensch daher sehr wichtig.
Die Malteser begleiten deutschlandweit schwerst erkrankte und sterbende Erwachsene, Kinder, Jugendliche sowie deren Familien und unterstützen Trauernde.
Die russisch- und ukrainischsprachige Hospiz- und Trauerarbeit der Malteser in Berlin richtet sich an Menschen, deren Muttersprache Russisch oder Ukrainisch ist. In den vergangenen Monaten sind das immer wieder Menschen, die aus der Ukraine geflohen sind.
Zum Angebot gehört:
- Gesprächsangebote und Beratung für Betroffene sowie Angehörige
- Regelmäßige Besuche durch eine feste Bezugsperson
- Entlastung für Angehörige, z.B. durch Sitzwachen
- Vermittlung von Fachdiensten
- Gesprächskreise
Deutschandweit haben die Malteser rund 100 Hospizdienste und 75 Trauerbegleitdienste für alle Altersgruppen.
Gibt es eine Begegnung mit einem Menschen aus der Ukraine, die Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?
Ich habe einen Mann kennengelernt, der in der Ukraine ein bekannter Regisseur war. Um es mit seiner Frau aus dem Land zu schaffen, hat er sich noch schwer krank ans Steuer gesetzt. Nach der Ankunft in Berlin hat er all seine Kräfte verloren.
Ich habe ihn und seine Frau in ihrem neuen Zuhause besucht. Er hatte beschlossen, dort sterben zu wollen und war kaum ansprechbar, hat viel geschlafen.
Mit seiner Frau habe ich ein langes Gespräch geführt. Als ihr Mann dann gestorben war, haben wir ihr ein Bestattungsinstitut vermittelt. Mit diesen Dingen kennt man sich in einem fremden Land, ohne Sprachkenntnisse, nicht aus. Ich bin bis heute im Kontakt mit ihr.
Sie machen diesen Job seit 20 Jahren. Was bedeutet Ihnen Ihre Arbeit?
Wir können die Menschen, die wir begleiten, nicht mehr heilen. Sie sind in einer sehr schweren Situation.
Wenn ich es schaffe, einen sehr traurigen Menschen zum Lächeln oder sogar zum Scherzen zu bringen – wenn auch nur für kurze Zeit, nur für heute –, dann freue ich mich. Das gibt mir persönlich Kraft und Freude. So geht es auch unseren Ehrenamtlichen, die diese wertvolle Arbeit leisten.
Ludmila Schamber: "Weiterleben – so gut es geht"
Aktion Deutschland Hilft: Frau Schamber, Sie sind seit 2006 ehrenamtlich in der Hospiz- und Trauerarbeit tätig. Wie sieht Ihre Arbeit aus?
Ludmila Schamber: Ich besuche Menschen, rede mit ihnen oder höre einfach nur zu. Ich habe mit den Jahren herausgefunden, dass die Menschen bis zuletzt ein inneres Leben haben – egal, in welchem Zustand sie gesundheitlich sind. Das merke ich zum Beispiel an den leuchtenden Augen vieler Menschen, wenn sie noch einmal ohne Barriere in ihrer Muttersprache reden können.
So ist es auch für die Menschen, die aus der Ukraine hierhergekommen sind. Bis vor kurzem hatten sie noch ein normales Leben. Sie hatten Ärzte, ein soziales Netzwerk, die Kinder eine Kita oder Schule. Dass sich das alles verändert hat, ist schwer zu verstehen.
Bei meinen Besuchen rede ich mit den Menschen aber nicht über den Krieg. Sie haben aufgrund ihrer persönlichen Situation andere Themen, über die sie sprechen möchten.
Sie haben ukrainische Wurzeln. Wann waren Sie das letzte Mal dort?
Das war 2018. Momentan bin ich im ständigen Kontakt mit meiner Familie dort, meinem Bruder, meiner Schwester. Ein Teil meiner Verwandten war nach Beginn des Krieges hierhergekommen, die meisten sind wieder zurückgegangen. Sie wollen dort leben, arbeiten und ein normales Leben führen.
Eine Enkelin ist bei mir geblieben, sie geht hier in die Willkommensklasse für ukrainische Kinder und Jugendliche. Und sie besucht online weiterhin ihre ukrainische Schule. Sie hat viel zu tun.
Sprechen Sie Zuhause über die Ereignisse in der Ukraine?
Ich lese jeden Tag russische, ukrainische und deutsche Nachrichten. Sobald ich kritische Nachrichten lese, etwa zu Angriffen oder der Stromversorgung, telefoniere ich mit meinen Geschwistern.
Wir alle haben die Hoffnung: Es wird nicht ewig dauern. Wir versuchen so gut es geht weiterzuleben.
Wir brauchen keinen Krieg, wir als einfache Menschen. Ich wünsche mir, dass meine Schwester gesund und am Leben bleibt. Früher habe ich immer gesagt: Bleibt gesund! Jetzt sage ich: Bleibt gesund und am Leben!
21 Bündnisorganisationen von Aktion Deutschland Hilft, darunter die Malteser, sind seit Beginn des Krieges in der Ukraine im Einsatz: in umkämpften Gebieten, an Zufluchtsorten innerhalb der Ukraine und den Nachbarländern sowie in Deutschland. Möglich ist das dank Ihrer Spende! Danke an alle, die helfen!
+++ Spendenaufruf +++
Aktion Deutschland Hilft, Bündnis der Hilfsorganisationen,
bittet dringend um Spenden für die betroffenen Menschen aus der Ukraine.
Stichwort: Nothilfe Ukraine
IBAN DE62 3702 0500 0000 1020 30, BIC: BFSWDE33XXX
Jetzt online spenden!