von Benjamin Schraven (DIE/GDI)
Es gibt viele Ursachen für Flucht und Migration
„Klimamigration“ – also der Zusammenhang zwischen Klimawandel und menschlicher Migration – gewinnt in Zeiten zahlreicher Flüchtlingskrisen und der (Anti-)Klimaschutzpolitik von US-Präsident Donald Trump zunehmend an öffentlicher Aufmerksamkeit und politischer Bedeutung.
Ende Mai 2017 etwa diskutierte zum ersten Mal die Task Force on Displacement (Arbeitsgruppe für Vertreibung; Anm. d. Red.) der UN-Klimarahmenkonvention UNFCCC über den Umgang mit dem Thema Vertreibung als Folge des Klimawandels. Welche Bedeutung aber muss dem Faktor Klimawandel im Kontext von Flucht und Migration eigentlich beigemessen werden und welche Schlussfolgerungen lassen sich daraus ziehen?
Wie wirkt sich der Klimawandel auf Flucht und Migration aus?
Mit der Frage, welche Rolle der Klimawandel für Migrationsentscheidungen eigentlich spielt, beschäftigen sich die Wissenschaft und verschiedene internationale Organisationen schon länger. Und sie tun sich damit bisweilen durchaus schwer.
Der erst vor kurzem von der Internationalen Organisation für Migration (IOM) herausgegebene Atlas der Umweltmigration bemüht sich mit unzähligen, teils sehr aufwendig gestalteten Illustrationen, das Phänomen Umwelt- bzw. Klimamigration in seinen unterschiedlichen Facetten zu beleuchten und zu erklären. Allerdings bleibt man auch nach über 160 Seiten Lektüre etwas ratlos zurück. Haften bleibt vor allem der Eindruck, dass alles sehr komplex ist.
Den Ärmsten bleibt oft keine Wahl als zu bleiben
Migrationsentscheidungen können von ökologischen, aber sehr häufig auch von vielen anderen Faktoren wirtschaftlicher, politischer, sozialer, kultureller oder demographischer Natur beeinflusst werden.
Vieles deutet darauf hin, dass die weit verbreitete Annahme einer automatischen Verbindung zwischen Klimawandel und Migration stark angezweifelt werden muss. Die Formel „weniger Regen oder mehr Dürren führen nicht zu mehr Migration“ ist nicht haltbar.
Menschen, die besonders unter den Auswirkungen des Klimawandels zu leiden haben, sind vor allem sehr arme Bevölkerungsgruppen in weiten Teilen des globalen Südens. Ihnen fehlen oft die notwendigen Mittel, um überhaupt auswandern zu können. Oder sie werden durch die Auswirkungen des Klimawandels noch zusätzlich geschädigt, etwa in Form von Missernten.
Oft ist also fatale Immobilität statt Mobilität die Folge von globaler Erwärmung. Menschliche Migration ist damit nicht unbedingt ein guter Gradmesser dafür, wie stark der Klimawandel und seine Folgen die Menschen in Afrika, Asien oder Lateinamerika treffen.
Konflikte sind noch immer der Hauptgrund für Flucht
Gerade akute Fluchtsituationen entstehen häufig aus vielschichtigen Gemengelagen heraus. Zwar wird der Begriff des „Klimaflüchtlings“ immer noch gern und häufig benutzt. Aber tatsächlich sind bewaffnete Konflikte weltweit den Hauptfluchtgrund für Flucht.
Umweltfaktoren mögen neben historischen, ethnischen oder politischen Faktoren eine gewisse Rolle beim Ausbruch kriegerischer Auseinandersetzungen spielen – den Klimawandel aber als Hauptgrund etwa für den Syrien-Krieg zu bewerten, wie es immer wieder in Medienberichten zumindest angedeutet wird, ist völlig haltlos.
Ebenso hängt es bei Naturkatastrophen von verschiedenen Faktoren ab, ob aus einer Katastrophe eine Flucht resultiert oder nicht: etwa dem Vorhandensein des örtlichen Katastrophenschutzes und der Leistungsfähigkeit der staatlichen Strukturen.
Wer ist Klimaflüchtling und wer nicht?
Bei der Suche nach besseren Lösungen und mehr Schutz von Flüchtlingen und Migranten ist es zwar wichtig, sich mit der Rolle des Klimawandels für Migrations- und Fluchtprozesse auseinanderzusetzen. Allerdings ist beim Ringen um politische Maßnahmen schwer zu sagen, ob die globale Erwärmung nun der Auslöser für eine Flucht war oder nicht.
Wir müssen eine Antwort auf die Frage finden, was mit Menschen ist, deren Fluchtgründe nichts mit ökologischen Faktoren zu tun haben. Vor allem, wenn diese nicht von der sehr engen Definition der Genfer Flüchtlingskonvention abgedeckt sind.
Globaler Norden muss Lösungen finden und sie tragen
Die Konvention bezieht sich nur auf individuelle oder gruppenspezifische Verfolgung. Auch für Flüchtlinge, auf die das nicht zutrifft, müssen bessere Lösungen gefunden und von den reichen Industrieländern des globalen Nordens getragen werden.
Verantwortung kann man hier nicht nur ableiten aus (historischen) Treibhausgasemissionen. Vielmehr spielen auch koloniale Ausbeutung oder unfairer Welthandel eine Rolle. Diese mögen keine Hauptgründe für Konflikte, Flucht und Migration sein. Sie tragen aber dennoch ihr Scherflein bei.
Benjamin Schraven ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE/GDI) in Bonn. Er forscht in der Abteilung Umweltpolitik und Ressourcenmanagement unter anderem zu Migration, Anpassung an Klima- und Umweltwandel und Ernährungssicherheit.